Wiedersehen in Barsaloi
Kleinkinder auf ihrem Rücken gefüttert. Dafür kauen die Frauen das Essen vor und schieben anschließend den Brei in die kleinen hungrigen Münder. Auch ich musste damals Napirai so ernähren, denn Babynahrung gibt es hier nicht. Mir fällt auf, dass die anstehenden Kinder immer wieder weggescheucht werden. Als ich James darauf anspreche, erklärt er: »Weißt du, ihre Mütter holen das Essen für sie mit, und damit nicht eine Familie doppelt bekommt und eine andere gar nichts, müssen die Kinder warten.«
Ich gehe herum und schaue überall in zufriedene Gesichter. Plötzlich steht der Mann, der mich auf Lketingas Frau aufmerksam gemacht hat, neben mir und meint, dass das Fest ein großer Erfolg sei, da so viele, vor allem Alte, gekommen sind. Sogar die angesehene Mädchenbeschneiderin sei da, was eine große Ehre sei. Dabei zeigt er auf die Frau, die mir vorhin vor Mamas Manyatta so unangenehm aufgefallen ist. Das ist also diejenige, die den jungen Mädchen, aus Tradition, so viel Leid zufügt. Nun ist mir mein Unbehagen, das ich bei der Begegnung mit ihr empfand, klar. Bei dem Gedanken, dass eine solche Frau unter Umständen meine Tochter hätte verstümmeln können, läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken.
Als kurz darauf die Ziegen nach Hause kommen, stehen immer noch viele Frauen in der Reihe. Der Kral füllt sich mit den Tieren und eine gewisse Unruhe breitet sich aus. Einige der umstehenden Mädchen und Frauen eilen mit dem vollen Teller nach Hause, da die Arbeit ruft. Gerade möchte auch ich mich ins Haus zurückziehen, um endlich zu essen, als mein »Informant« wieder neben mir auftaucht und mir mitteilt, dass Lketingas Frau mir unbedingt die Hand geben möchte. Ich bin neugierig und folge ihm.
Mit den anderen zwei Mädchen steht sie hinter ihrer halbfertigen Manyatta. Ich strecke ihr meine Hand entgegen und begrüße sie mit »Supa«. Sie kichert verlegen und versteckt ihr Gesicht zur Hälfte hinter einer Hand. Der Mann redet mit ihr und daraufhin reicht sie mir schüchtern die Hand. Ich bin wahrscheinlich der erste weiße Mensch, den sie berührt. Ihr volles Gesicht wirkt noch sehr kindlich. Während ich die anderen beiden jungen Mädchen begrüße, erklärt mir der »Informant«, dass auch sie bereits verheiratet sind.
Jetzt bin ich wirklich erschüttert. Das eine Mädchen ist mindestens einen Kopf kleiner als Lketingas Frau und scheint noch nicht einmal zwölf Jahre alt zu sein. Als ich mein Entsetzen mitteile, lacht der Mann und sagt: »Ja, es ist verrückt, aber sie gehört diesem Mann da.« Dabei zeigt er in eine bestimmte Richtung. Doch bevor ich den Mann ausmachen kann, sehe ich Lketinga wütend auf uns zukommen. Noch während ich überlege, warum und wieso, schimpft mein Ex-Mann bereits los. Auch an seine Frau richtet er scharfe Worte, worauf sie sich scheu entfernt. Ich versuche ihn zu beruhigen und erkläre ihm, dass ich mich gefreut habe, seine Frau kennen zu lernen. Doch er hört nicht zu, sondern verlangt nachdrücklich, dass ich nicht mehr mit ihr spreche, weil das nicht gut sei. Irritiert ziehe ich mich in James’ Haus zurück, damit ich nicht noch mehr anrichte, was Lketinga verärgern könnte.
James unterhält sich mit Albert und Klaus. Seine Frau steht etwas abseits. Saruni klebt natürlich am Papa, nur Little Albert ist nirgendwo zu sehen. Als wir nachfragen, legt James einen Finger auf seinen Mund und sagt: »Hört jemand ein Glöckchen bimmeln?« Alle lauschen und bald ist klar, Little Albert spielt noch draußen im Dunkeln. Wir lachen herzlich, als uns James erzählt, dass der Kleine bei solchen Anlässen ein Fußglöckchen trägt, damit er schneller zu finden ist.
Stefania holt einen großen Topf mit Fleischstücken und stellt ihn auf den Tisch. Jeder greift zu und James ist bemüht, uns auf die besten Stücke aufmerksam zu machen. Nun knabbern auch wir das Fleisch von den Ziegenknochen. Dazu gibt es Reis mit Bohnen.
Etwas später gesellt sich auch Papa Saguna zu uns und lädt sich seinen Teller voll. Er setzt sich nie auf einen Stuhl, sondern geht in die Hocke und lehnt sich in dieser Haltung an die Wand. Normalerweise ist er sehr still, doch wenn er einmal spricht, wird er äußerst lebendig. Im Moment scheint er aufregende Dinge über die Festvorbereitungen zu berichten. Am Ende seiner Erzählung spuckt er wie zur Bekräftigung auf den Boden. Jeder weiß noch etwas Lustiges zu berichten und es herrscht eine heitere Stimmung im Haus. Klaus und Albert erklären
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