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Wiedersehen in Barsaloi

Wiedersehen in Barsaloi

Titel: Wiedersehen in Barsaloi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinne Hofmann
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aufsteigenden Tränen bemerkt, lächelt sie kurz und sagt: »Trink Tee, das hilft.« Dankbar nehme ich die angebotene Tasse entgegen. Es ist verdammt schwer, bei diesem Abschied nicht zu weinen. Noch einmal bitte ich James, ihr zu erklären, dass meine Tränen ein Zeichen meiner tiefen Zuneigung zu ihr sind.
    Während er anschließend die Abschiedsworte von Albert und Klaus übersetzt, schaue ich unentwegt Mama an. Ein Sonnenstrahl fällt durch das poröse Dach direkt auf ihren Kopf. Der Rauch verbindet sich mit dem Lichtstrahl und verleiht ihr, mit dem Baby im Arm, eine fast mystische Aura. Sie strahlt so viel Würde und Persönlichkeit aus und ich hoffe sehr, dass ich meine Tochter eines Tages mit ihrer Großmutter zusammenbringen kann. Mama ist das stärkste Bindeglied der Familie und in ihr leben die alten Traditionen. Sie verkörpert etwas, wovor jeder Respekt hat. Wir alle sind beeindruckt und bewegt.
    Erst nach über einer Stunde kriechen wir aus der mittlerweile sehr warmen Manyatta und treten ins Freie. Im Kral haben sich einige Frauen und Kinder versammelt, die uns verabschieden wollen. Meine Brust fühlt sich eng an und am liebsten würde ich einfach richtig losheulen. Klaus erheitert ein weiteres Mal die Kinder mit den Digitalfotos und hält die letzten Erinnerungen fest.
    Ich stelle mich zwischen Lketingas Schwester und Mama. Beide schauen sehr ernst. Die Schwester drückt immer wieder ihren Kopf an meine Schulter. Man spürt, dass auch sie versucht, ihre wahren Gefühle nicht zu zeigen. Mama trägt ihren schönen Blumenrock und ihr neues blaues Schultertuch. Mit den Händen stützt sie sich würdevoll auf ihren langen Stock. James mit seiner sprudelnden Art versucht noch einmal, alle zu erheitern, bevor er die Segnung ankündigt. Wir Europäer stehen zwischen ihm und Lketinga, als Mama mit geschlossenen Augen laut zu beten beginnt. Nach jedem Satz antworten wir mit »Enkai«. Nachdem die kleine, uns alle bewegende Zeremonie beendet ist, umarme ich Mama zum letzten Mal und schaue ihr stumm in die Augen. Sie drückt für einen kurzen Moment ihren Kopf an mich und sagt: »Lesere, lesere – auf Wiedersehen.«
    Nun verabschieden wir uns von James, Stefania, den Kindern und Lketingas Schwester. Im Hintergrund bemerke ich die junge Frau meines Ex-Mannes. Unsere Blicke treffen sich. Ich habe das Gefühl, dass sie mir mit ihren Augen etwas mitteilen möchte. Doch was? Ich weiß es nicht. Ich hoffe, dass ihr Leben an Lketingas Seite einigermaßen angenehm verlaufen wird. Von neuem konnte ich feststellen, wie lustig, witzig und fürsorglich er sein kann, wenn er will. Vielleicht wird er durch meinen Besuch, bei dem wir so viel miteinander gelacht haben, auch mit ihr etwas umgänglicher – wer weiß?
    James gibt mir Grüße an meine Mutter, ihren Mann Hanspeter und den Rest meiner Familie, ganz besonders natürlich an Napirai, mit auf die Reise.
    Auf dem kurzen Weg zum Wagen schüttle ich viele Hände und höre immer wieder: »Lesere, Mama Napirai, lesere!«

    Langsam fahren wir aus dem Dorf und links und rechts winken uns viele Menschen hinterher. Traurigkeit macht sich in mir breit und ich bin froh, dass Lketinga mit uns fährt, so ist die Verbindung noch nicht ganz abgebrochen. Dieser Besuch war für mich wie ein Fenster, durch das ich nach all den Jahren in meine bewegende Vergangenheit zurückblicken konnte. Wenn sich auch manches verändert hat, habe ich doch vieles so vorgefunden, wie es damals war. Eine Distanz zu den Menschen habe ich nicht gespürt, im Gegenteil, ich empfand es wie ein Nachhausekommen. Meine afrikanische Familie und auch die Dorfbewohner haben mich aufgenommen wie eine lange verloren geglaubte Tochter. Und genau das ist es, was mir jetzt den Abschied so schwer macht.
    Im Wagen spricht niemand. Lketinga schaut geradeaus und sieht irgendwie älter und eingefallener aus. Das beunruhigt mich, doch dann erinnere ich mich, wie er Albert einige Tage zuvor zur Seite nahm und ihm anvertraute: »Albert, I have really changed my live, I’m happy now.«
    Wir erreichen Opiroi und plötzlich zeigt Lketinga auf eine Gruppe von Frauen und Kindern: »Schau, dort ist Mama Natascha, willst du sie begrüßen?« Natürlich will ich das! Wir haben uns früher viele Male gegenseitig besucht und bei einem dieser Besuche war es, dass ich ihrer Tochter den Namen Natascha gab. Ihr Ehemann ist ein Halbbruder von Lketinga. Auch ihn mochte ich sehr gern. Mit ihm konnte ich stundenlang lachen. Er kannte wirklich

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