Wiedersehen in den Highlands - Roman
oder überhaupt eine Ernte – versprach. Doch angesichts der Umstände war die Überlegung müßig, denn er, Henry, war auf Hawkshill der Einzige, der wach war, und selbst die Pferde waren zu erschöpft, um an diesem Tag zu arbeiten.
Abgetrocknet, aufgewärmt und gesättigt, lagen die Frauen und sein Bruder in ihren Betten, schnarchten und schliefen tief und fest. Wäre er weniger gewissenhaft, dann wäre Henry ihnen ins Reich der Träume gefolgt, denn sein Rücken schmerzte, seine Beine zitterten, und er konnte kaum noch die Augen offen halten. Er hatte die Schafe zusammengetrieben und vom Moor zu der steil abfallenden Weide hinter der Scheune geführt, wo drei riesige Eichen einen gewissen Schutz boten. Henry hatte ihnen eine Schütte mit Heu hingestellt und ein paar Rüben gehackt, denn seiner Ansicht nach konnte ein Mutterschaf, das in den ersten Wochen seiner Trächtigkeit gut ernährt wurde, seinen Nachwuchs bis zum Schluss austragen, ganz gleich, was der Winter ihm abverlangte.
Im Allgemeinen hatte Henry Freude am Schafehüten, aber heute war er zu erschöpft, um sich an irgendetwas zu erfreuen. Als die Schafherde sicher untergebracht war, kletterte er über die Mauer und schlurfte an der Scheune vorbei und über den Hof, um vor dem Abendmelken ein Nickerchen zu machen. Er blinzelte in die Sonne, suchte die Kuppe des Hügels nach Mr. Dingles Planwagen ab, sah jedoch zu seiner Erleichterung kein Anzeichen davon. Nach einem kurzen Blick in die Scheune, um sich zu vergewissern, dass die Fässer sicher versteckt waren, taumelte er erschöpft zum Cottage. Er hatte eben die Hand ausgestreckt, um die Tür zu öffnen, als ihn irgendetwas herumschnellen ließ.
Das Pferd war an einem Zweig der Eberesche angebunden, der sich über die Dornenhecke am Ende des Weges neigte. Im ersten Augenblick dachte Henry, es wäre Toms Stute, und fragte sich, warum sein Bruder wohl so früh auf den Beinen war. Als er genauer hinsah, erkannte er jedoch, dass das Tier zu gut beschlagen und gesattelt war, um Toms Pferd zu sein, und er begriff, dass Hawkshill einen Besucher hatte.
Mit einem Schlag war Henry hellwach und auf der Hut.
Er hob die Hand, um an die Tür zu klopfen und seinen Bruder zu wecken, aber dann musste er an Toms erbärmlichen Zustand denken, und er riss sich los und rannte zu dem Ende des Hofes, von dem man den besten Ausblick über die Felder hatte.
Henry erreichte das Gatter, das zu dem Acker hinter dem Haus führte, im selben Augenblick wie Hewitt, der über die alte Weide kam. Die beiden Männer funkelten sich misstrauisch an, als sähen sie den jeweils anderen als Eindringling an. Neville Hewitt legte eine Hand auf das Gatter, und nach einem winzigen Augenblick des Zögerns öffnete Henry es und ließ ihn in den Hof.
Kühl, aber höflich erkundigte er sich, warum Mr. Hewitt über die Felder von Hawkshill schlendere und ob er ihm behilflich sein könne.
»Ich habe gehört, ihr sät aus«, antwortete Neville Hewitt.
»Nun, wie Sie sehen, stimmt das nicht: Ich bin ja hier«, sagte Henry.
»Aye, doch das lange Feld ist dafür umgegraben worden.«
»Das lange Feld musste längst umgegraben werden.«
»Umgegraben, geeggt und gedüngt im November?«, fragte Neville Hewitt. »Wofür sonst kann das sein, wenn nicht, um Sibirischen Weizen zu säen? Hofft ihr etwa wirklich, eine frühe Ernte zu verkaufen, um die geschuldete Pacht zu bezahlen? Wenn das eure Absicht ist, Brodie, dann lass dir sagen, der Ertrag wird zu gering sein, um bei der Mühle zehn Pfund zu erzielen, geschweige denn, dreißig.«
»Ich wusste gar nicht, dass Sie etwas von modernen Methoden der Landwirtschaft verstehen, Mr. Hewitt«, bemerkte Henry. »Aber vielleicht sollten Sie besser beim Flachs bleiben und die Auswahl des Getreides und die Methode der Aussaat uns überlassen.«
»Wo ist er?«
»Wer?«
»Dein Bruder.«
»Tom? Ich glaube, er ist in die Stadt geritten – nach Hayes, meine ich, nicht nach Drennan.«
»Um mehr Saatgut zu kaufen vielleicht?«
»Mehr Saatgut?« Henry zog die Augenbrauen hoch. »Nun, woher sollten wir denn das Geld haben, um auch nur einen Scheffel Saatgut zu kaufen, geschweige denn, noch mehr von dem Zeug?«
Neville Hewitt sah sich um. »Wo sind eure Frauen?«
»Im Haus, sie essen zu Mittag.«
»Ist es nicht ein bisschen spät fürs Mittagessen?«
»Hier halten wir uns nicht an die Zeiten der Stadt, Mr. Hewitt.«
Neville Hewitt schnaubte verächtlich. »Wo ist es, Brodie? Wo habt ihr es versteckt?«
Mit
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