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Wiedersehen in den Highlands - Roman

Wiedersehen in den Highlands - Roman

Titel: Wiedersehen in den Highlands - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Stirling
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die Brust gedrückt. Lucas ließ sich nach vorn auf die Knie fallen und küsste Rose. »Gott, Rosie«, sagte er, »du bist ja eiskalt.«
    »Ja«, gab sie zu, »ich nehme an, das bin ich wirklich.«

19
    Es war Heiligabend, als Lucas schließlich in den Schoß seiner Familie zurückkehrte, die sich ohne viel Taktgefühl prompt erkundigte, was er denn vier Tage und drei Nächte in Mr. Hewitts Haus getrieben habe, nur mit Miss Hewitt zur Gesellschaft.
    Küsse und Liebkosungen tauschen, war die naheliegende Antwort, und der alte Lucas wäre vielleicht einfach mit der Wahrheit herausgeplatzt, aber Rosies Lektionen hatten den Charakter des jungen Mannes um ein Element des Feingefühls erweitert. Er schlenderte mit einem überlegenen Lächeln durch den Kälberstall und den Milchschuppen und wiederholte, sooft ihm die Frage gestellt wurde, den Satz, den Rosie ihm eingetrichtert hatte: »Aber, aber! Das darf man doch nicht verraten.«
    Diese Antwort stellte niemanden zufrieden, am allerwenigsten Nancy Ames, deren Angebot eines intimen Akts im Heuschober von Lucas mit einer wegwerfenden Handbewegung abgelehnt wurde – eine Reaktion, die in ihr erst eine mörderische Wut auslöste und sie dann zu der bedrückenden Erkenntnis gelangen ließ, dass ihr Charme dem des Biestes aus der Thimble Row nicht gewachsen war und dass ihre Chancen, Herrin über das Gut der Fergussons zu werden, unter dem Schnee begraben worden waren.
    Milde Winde und ein leichter Nieselregen hatten die Oberfläche der Zollschranke tauen lassen. In aller Eile wurde ein Korridor durch die Hawkshill-Verwehungen frei geschaufelt, und bald nach dem Mittagessen brach Tom auf  zu Souter Gordon’s , in der Hoffnung auf ein bisschen fröhliche Gesellschaft und Neuigkeiten aus Drennan.
    Weihnachten bedeutete den braven Bürgern von Hayes herzlich wenig. In der muffigen kleinen Taverne des Ortes herrschte keine feierliche Stimmung. Wenn Tom auf ein feuchtfröhliches Beisammensein mit einem Haufen anderer Junggesellen gehofft hatte, dann wartete eine Enttäuschung auf ihn. Neuigkeiten aus Drennan gab es ebenfalls keine. Die Postkutschen waren auf den Straßen nach Norden stecken geblieben, und niemand in Souter Gordons Taverne hatte an jenem Nachmittag einen ausreichend guten Grund, um vier Meilen durch Matsch und Schlamm in die Stadt zu waten.
    Tom hing vielleicht eine halbe Stunde in der Taverne herum, während er mit jeder Minute schwermütiger wurde. Dabei hatte er gar keinen Grund, so trübsinnig zu sein, sagte er sich. Er war jung, gesund und gut aussehend, die Familienkasse prall gefüllt, und Hawkshill war soeben gerettet worden. Er konnte Hewitt triumphierend ins Gesicht lachen, sich mit hocherhobenem Kopf in jeder Gesellschaft bewegen und sich eine Ehefrau nach seinem Geschmack und Status suchen – er musste nur geduldig genug sein. Dennoch belastete ihn das Versprechen, das er seinem Vater gegeben hatte. Weiß Gott, er hatte seinem Vater gegenüber so viele Versprechen gebrochen, als der alte Mann noch am Leben gewesen war, dass es allzu leicht sein würde, jetzt, da er tot war, noch eines zu brechen.
    »Heda, Tom, ich habe gehört, ihr habt eine Saat in der Erde?«
    »Aye, so ist es.«
    »Weizen?«
    »Weizen, so ist es.«
    Der ältere Mann forderte Tom mit einer Handbewegung auf, sich zu ihm in die Kaminecke zu setzen, doch von einem Feuer im Kamin konnte kaum die Rede sein, und der Alte war ein berüchtigter Langweiler. Tom schüttelte den Humpen und wies zur Tür, um dem Mann zu verstehen zu geben, dass er eben gehen wollte.
    Die Taverne war überfüllt und stank nach Bier. Die Alten hockten um das Feuer. Auf ein Fass gestützt, war Souter halb eingeschlafen. Der zottelige, ebenfalls betagte Schäferhund, der ausgestreckt im Durchgang lag, ließ einen Wind abgehen. Toms Schwermut verschlimmerte sich. Wo waren die Mädchen, wo die jungen Burschen? Wo waren Spaß und Gesang, eine Fiedler-Melodie, um das Blut in Wallung zu bringen? Wo waren all die Dinge, die die trostlosen, einsamen Stunden auf den Feldern, das frühe Aufstehen, die blutenden Blasen und die aufgeschlagenen Fersen rechtfertigten? Wo, dachte er, ist das Leben selbst? In Drennan vielleicht, aber nicht hier in dieser heruntergekommenen Hütte in dieser erbärmlichen kleinen Stadt.
    »Verdammt!«, sagte er zu sich selbst, knallte den leeren Humpen auf den Tisch, schnappte sich seine Mütze und wandte sich zur Tür.
    Einen Augenblick lang war er versucht, seine Schritte nach Drennan zu lenken.

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