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Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Titel: Wiedersehen in Hannesford Court - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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sollte glauben, dass sich das inzwischen normalisiert hätte, oder?«
    Er hielt inne, gab mir Feuer und setzte sich kopfschüttelnd in den Sessel gegenüber.
    »Aber wie sich herausstellt, sind die Dinge nicht so einfach. Nehmen wir einmal diese Zigaretten. Der Armenier, der sie herstellt, hat seine Werkstatt geschlossen. Oder manhat sie für ihn geschlossen. Am Ufer des Bosporus geht es ziemlich hässlich zu. Unruhen in der Bevölkerung , wie es die Diplomaten nennen, mit anderen Worten, sie haben keinen Schimmer, was vorgeht, sondern nur, dass es ein verdammtes Durcheinander ist.« Er schaute mich an. »Beunruhigt dich das?«
    »Warum sollte es?« Nachdem ich in Frankreich so lange dem Maschinengewehrfeuer entgangen war, war ich ziemlich zuversichtlich, dass ich auch einen Mangel an türkischen Zigaretten überstehen würde.
    »Weil es eben nicht nur um die Türkei geht, alter Junge, sondern auch um Deutschland. Wenn man einen Mann tritt, der schon am Boden liegt, und immer weiter auf ihn eintritt, richtet man eine höllische Sauerei an.« Freddy schürzte die Lippen. »Hast du schon mit der kleinen Eccleston gesprochen?«
    »Mit Violet Eccleston?« Die unerwartete Wendung überraschte mich ein wenig. »Kurz. Heute Abend, beim Essen.«
    »Als Gesprächspartnerin ist sie ziemlich furchterregend, was? Ich glaube, Sir Robert würde gern einen weiteren Krieg in Kauf nehmen, wenn er damit die Welt von Leuten wie Violet Eccleston befreien könnte. Aber ich sage dir was, alter Junge: Es mag seltsam klingen, aber sie hat in vieler Hinsicht recht.« Er nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette und stieß langsam den Rauch aus, wobei er genießerisch die Augen schloss. »Das Problem mit ihr ist, dass sie dasitzt und alle möglichen Theorien vom Stapel lässt und keiner begreift, wie vernünftig die sind, weil sich alle nur wünschen, dass sie endlich den Mund hält und verschwindet. Inzwischen kann ich verstehen, weshalb die Trojaner nicht auf Kassandra hören wollten. Die Auslöschung durch die Griechen muss ihnen als das kleinere Übel erschienen sein.«
    Ich lehnte mich in meinem Sessel zurück. Heute erlebte ich eine völlig neue Seite an Freddie Masters, und die war zweifellosein Fortschritt. Vielleicht hatte er nur wie ein Clown gewirkt, wenn Harry und die anderen dabei waren.
    »Du hast in deinem Brief etwas über Professor Schmidt geschrieben«, erinnerte ich ihn.
    »Ach ja.« Er lehnte sich zurück und schaute mich durch einen bläulichen Rauchschleier an. »Sehr kurios. Sag mal, wie gut erinnerst du dich an die Woche in Hannesford, als wir alle das letzte Mal zusammen waren?«
    Ich dachte nach. »Ganz gut. Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie es endete.«
    »Ja, das stimmt wohl. Zum einen war es so verdammt heiß …«
    Ich sah ihm beim Rauchen zu und war verwundert über seinen ernsten Blick.
    »Es ist schon komisch, was? Wie viele Männer haben wir seither sterben sehen? Hunderte. Wir haben so viele Tote gesehen, dass wir sie kaum noch bemerken. Und doch erinnern wir uns beide aus irgendeinem Grund an diesen.«
    Ich dachte an die harten Platten der Terrasse unter meinen Knien und die Hand in meiner, die so kalt war, dass mich ein Schauer überlief, obwohl es ein warmer Abend war. Anne Gregory ganz nah bei mir, wie sie den Kragen des gestürzten Mannes lockerte. Und dann hatten sich die kalten Finger ohne Vorwarnung mehrmals heftig und verzweifelt verkrampft. Dann nichts mehr. Oh ja, ich erinnerte mich gut.
    »Der Tod war noch neu für uns«, sagte ich.
    »Und schrecklich.« Masters nahm einen weiteren langen Zug von seiner Zigarette. »Jetzt überrascht er mich nicht mehr. Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, mich überrascht viel eher, dass ich am Leben bin.«
    Ich wusste, was er meinte. Zum Ende hin hatte ich nicht mehr um die Toten getrauert: Sie waren noch immer da, um mich herum, bewohnten dasselbe Land. Ich spürte nochimmer, was uns verbunden hatte. Mir waren die Lebenden fremd geworden, die Menschen zu Hause, die Menschen mit einer Zukunft. Und ich konnte mir das Leben, das ich zurückgelassen hatte, nicht mehr vorstellen.
    Doch das sagte ich nicht, nicht zu Freddie Masters, der aufgekratzter Stimmung war und einen Verdienstorden erhalten und vorher zwei sichere Jahre in Whitehall verbracht hatte. Ich war mir noch immer nicht sicher, was ich von ihm halten sollte. Also zuckte ich nur mit den Schultern und beugte mich vor, um die Asche von meiner Zigarette zu klopfen.
    »Der Sommer in Hannesford …?«,

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