Wiedersehen in Hannesford Court - Roman
fragte ich.
»Ach ja.« Er wedelte mit einer Hand den Rauch weg. »In jener Woche herrschte eine ziemlich sonderbare Atmosphäre, nicht wahr? Fiebrig und intensiv. Oder bilde ich mir das nur ein?«
Wohl kaum. Es herrschte eine sonderbare Fröhlichkeit in jenem Sommer, fast als wären die gute Laune ein wenig zu gut und das Gelächter ein wenig lauter als nötig gewesen. Im Nachhinein konnte man durchaus auf den Gedanken kommen, dass auf uns allen eine dunkle Vorahnung gelastet hatte. Doch wir waren einfach nur eine Gruppe von Menschen gewesen, die zu oft und zu nah beieinander waren, und die Hitze erregte die Gemüter. Mir zumindest hatte nicht das Schicksal ganzer Nationen auf der Seele gelegen. Ich hatte nur an Margot gedacht.
»Natürlich«, fuhr Masters fort, »wäre es furchtbar enttäuschend gewesen, wenn der Kaiser einen Rückzieher gemacht hätte. Kaum zu glauben, dass selbst ganz vernünftige Menschen einen Krieg für nötig hielten, um die Luft zu reinigen.« Er schüttelte den Kopf, verwundert über den Wahnsinn. »Wenn ich mich recht entsinne, hatte man Professor Schmidt eingeladen, um die Schmetterlingssammlung zu ordnen. Er schien ein recht freundlicher Bursche zu sein. Kein Mann, der Hirngespinsten nachlief.«
Das Feuer war fast niedergebrannt, und das Licht warf seltsame Schatten auf sein Gesicht, betonte die Vertiefungen und ließ ihn älter und müder aussehen.
»Dann, mein Freund, in den frühen Morgenstunden, mitten während des Rosenballs, fällt er auf der Terrasse tot um. Herzversagen, wie es heißt. Ich habe kürzlich einen Blick in die offiziellen Unterlagen geworfen. Es klingt alles sehr eindeutig.«
Ich musterte sein Gesicht. »Du hast dir einige Mühe damit gemacht. Verrätst du mir den Grund?«
Masters’ Stimme klang beschwichtigend. »Ehrlich gesagt, alter Junge, ich weiß es nicht. Es hat natürlich überhaupt keine Bedeutung mehr. In der Karaffe da ist noch etwas Whisky. Lass uns einen Schluck trinken, dann erzähle ich dir eine komische Geschichte, die mir nach Kriegsende passiert ist. Und danach können wir beide die Sache vergessen und schlafen gehen.«
Ich wartete gespannt, während Masters unsere Gläser füllte.
»Ich habe vor meiner Demobilisierung einige Zeit in Köln verbracht. Als Teil der Besatzungsarmee. Du warst auch mal dort, nehme ich an. Also kennst du das.« Er reichte mir ein Glas und ließ sich wieder in den Sessel sinken. »Jetzt kommt der interessante Teil. Während ich dort war, kam ein Mann zu mir und erklärte, er sei der Sohn des alten Schmidt.«
Ich konnte mich vage erinnern, dass der Professor einen Sohn erwähnt hatte, der irgendwo in den deutschen Kolonien lebte und gänzlich andere Neigungen hatte als sein Vater. Selbst als der Professor starb, hatte ich nicht weiter an ihn gedacht. Und ganz gewiss nicht damit gerechnet, dass wir je in Hannesford über ihn sprechen würden.
Masters erzählte in seinem üblichen blumigen Stil, aber gekonnt von seiner Begegnung in Köln. Während er sprach, kehrten meine Erinnerungen an die Stadt zurück, die ich injenen ersten unwirklichen Friedenstagen erlebt hatte: Die Bevölkerung war verwirrt, wie betäubt angesichts der veränderten Lebensumstände, die die Niederlage mit sich gebracht hatte; die Geschäfte waren leer, die Bürger zu stolz, um bei den Eroberern zu betteln; von Osten nahte der Winter; es gab zu wenig Kohle, und man erzählte sich, dass in den großen Häusern jenseits der Kanalstraße prachtvolle Möbel zerhackt und als Feuerholz verwendet wurden. Auch die Besatzungssoldaten wirkten benommen, schlecht auf den Frieden vorbereitet. In gewisser Weise trauten sie dem eigenen Überleben nicht. Es gab keine Siegermentalität, jedenfalls nicht unter den Soldaten. Die kam erst später.
Vor dieser monochromen Kulisse hatte Freddie Masters Besuch von Johann Schmidt erhalten, einem Mann von etwa vierzig Jahren, braungebrannt und faltig von der Sonne, der in Folge einer Schrapnellverletzung hinkte. Er erzählte, er sei in Swakopmund in Deutsch-Südwestafrika gewesen, als er vom Tod seines Vaters erfuhr, und bei Kriegsausbruch nach Deutschland zurückgekehrt, um sich zur Armee zu melden. Deshalb habe er den Brief, den sein Vater ihm kurz vor seinem Tod geschrieben habe, erst Monate später erhalten. Und dann sei ihm wenig Zeit geblieben, um über den Inhalt nachzudenken.
Doch nun, nach dem Ende der Kämpfe, sei er auf den Namen Captain Frederick Masters gestoßen. Ob er wohl derselbe Frederick Masters
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