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Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Titel: Wiedersehen in Hannesford Court - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Bekannter aus jenem Sommer einfiel, der noch am Leben ist.«
    Danach schwiegen wir beide.
    »Es war eine seltsame, berauschende Zeit damals«, sagte ich schließlich, »aber ich habe wirklich keine Ahnung, was der Professor gemeint haben könnte.«
    Masters seufzte theatralisch. »Ich auch nicht. Immerhin waren es unsere Tage des Weines und der Rosen. Weißt du noch? Keine Wolke, kein Dorn, kein Abend, an dem wir nicht zu viel schlechten Rotwein tranken. So jedenfalls ist es einigen im Gedächtnis geblieben. Auf das schlechte Gedächtnis.« Er hob sein Glas und trank es in einem Zug aus. »Na schön. Ich schreibe Herrn Schmidt und teile ihm mit, dass sich deine Erinnerungen mit meinen decken. Dann können wir die Sache als erledigt betrachten.«
    Er rutschte auf die Kante seines Sessels, als wollte er aufstehen, hielt aber inne und sah mich nachdenklich an.
    »Da war allerdings noch eine Sache, von der ich dem Sohn des Professors nichts erzählt habe. Sie hat mich damals ziemlich beunruhigt, doch danach ist so viel passiert, dass ich es vergessen habe.«
    Er sprach jetzt ohne Schnörkel, ohne große Gesten und wirkte dabei besorgt.
    »Am Abend des Rosenballs, drei Tage, nachdem er diesen Brief geschrieben hatte, habe ich den Professor auf der kleinen Brücke im Wald gesehen. Der alten Brücke, du weißt schon. Es war gegen Mitternacht, glaube ich. Ich wollte ein bisschen frische Luft schnappen und spazierte bis zur anderen Seite des Bachs, oben am Abhang. Ich wollte gerade umkehren, als ich ihn bemerkte.«
    Masters hielt inne, um sich noch eine Zigarette anzuzünden, lehnte sich zurück und stieß langsam den Rauch aus.
    »Er war nicht allein. Jemand war bei ihm, und sie haben sich gestritten. Ich konnte nicht erkennen, wer es war, weil die Bäume im Weg standen, aber den Professor habe ich eindeutig erkannt. Er hatte eine ziemlich charakteristische Haltung und stand so, dass ich ihn sehen konnte. Natürlich wünschte ich im Nachhinein, ich wäre zu ihm hinuntergegangen, doch damals war mir nicht nach Gesellschaft zumute. Außerdem sind die meisten Leute nicht gerade begeistert, wenn man in einen Streit hineinplatzt. Also bin ich einfach zwischen die Bäume getreten und habe eine Zigarette geraucht.«
    Ich schaute ihn an. »Und worüber haben sie gestritten?«
    »Keine Ahnung«, erwiderte Masters leichthin. »Sie standen ein ganzes Stück von mir entfernt. Ich konnte nur laute Stimmen hören, das war alles. Kein Geschrei, aber man merkte, dass sie wütend waren. Nachdem ich den Weg verlassen hatte, konnte ich die Brücke gar nicht mehr sehen. Eines habe ich aber mitbekommen. Der Professor sagte ziemlich deutlich: › Ich werde mit Sir Robert über die ganze Affäre sprechen.‹ Vielleicht nicht in genau diesen Worten, aber es trifft die Sache.«
    »Und dann?«
    Er zögerte. Hinter seiner unbekümmerten Art schien sich echter Abscheu zu verbergen.
    »Dann wurde es einigermaßen unerfreulich. Der andere Kerl hat ihn geschlagen. Ich habe den Schlag gehört. Zuerst ein Fluch, den ich nicht verstehen konnte, dann ein scharfer Knall. Ein Schlag mit der flachen Hand, kein Boxhieb. Aber hart. Richtig hart.« Er betrachtete die Spitze seiner Zigarette. »Das hat mich aufgerüttelt. Ich bin so schnell wie möglich zum Weg zurückgelaufen, konnte aber von dort oben nur den Professor sehen, der kniete und auf dem Boden herumtastete. Vermutlich nach seiner Brille. Ziemlich widerlich, einen alten Mann so zu behandeln.«
    Er verstummte, und ich wartete, während er an seiner Zigarette zog.
    »Ich habe nach ihm gerufen, aber wenn man den Weg hinuntergeht, verliert man die Brücke aus den Augen. Als ich dort ankam, war der Professor verschwunden. Er muss weggeeilt sein, als er mich hörte. Es wäre wohl zu demütigend für ihn gewesen, wenn ich ihn so gesehen hätte. Deshalb versuchte ich auch nicht, ihn einzuholen. Ich habe noch etwa zehn Minuten gewartet, geraucht und mich wieder beruhigt. Dann ging ich zum Haus zurück, um dort mit ihm zu reden. Doch als ich hinkam, war er schon tot.«
    Masters steckte den Zettel mit einer abschließenden Geste in die Jackentasche. »Es mag seltsam klingen, wenn man bedenkt, was in den Jahren danach alles passiert ist, aber ich fühle mich immer noch scheußlich dabei. Es geht mir gegen den Strich, dass ihn jemand einfach auf dem Boden zurückgelassen hat.« Er drückte die Zigarette aus. »Allen, alter Junge, ich werde wohl morgen nach Deutschland schreiben. Also denk noch mal über die alten

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