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Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Titel: Wiedersehen in Hannesford Court - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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ohne jede Aussicht auf Erfolg, so wie Oliver Eastwell; andere wie Julian Trevelyan gingen selbstbewusster damit um.
    Doch Tom war nicht wie sie. Er blieb Margots Flirtversuchen gegenüber gleichgültig, schien eher darunter zu leiden. Als wir eine Bootstour auf dem See planten, bemerkte ich, wie er Margots Vorschlag, in ihrem Boot mitzufahren, geschickt auswich. Sein belustigter Gesichtsausdruck und die trockenen Bemerkungen verrieten mir, dass er sie nicht ganz unkritisch sah. Er schien sich absichtlich ein wenig von ihr fernzuhalten, als könnte er so ihre Schwächen besser erkennen.
    Dennoch wusste ich, dass er nicht immun gegen sie war. Obwohl er nicht versuchte, sich ihr zu nähern, schlug er nur selten eine Einladung nach Hannesford aus. Er kam zu jedem Weihnachtsfest und in jedem Sommer, wann immer Hannesford Court seine Türen öffnete. Oft war er der Letzte, der antwortete, weil er vorher lange überlegte, und manchmal auch der Letzte, der kam. Doch er kam immer. Während andere wie die Motten von der Flamme angezogen wurden, flog Tom vorsichtig über sie hinweg. Aber er fand ihr Licht zweifellos attraktiv.
    Julian Trevelyan schien er kaum wahrzunehmen – den lässigen, selbstbewussten Julian, der abwartete, bis Margot endlich eine Entscheidung traf. Reich, exzellente Verbindungen, die beste Partie unter Harrys Freunden, einer der begehrenswertesten Junggesellen im ganzen Land. Jeder konnte sehen, dass Julian Margot haben wollte und dass Margot das wusste und es genoss. Tom hingegen entstammte nicht den Kreisen, in denen Margot Stansbury einen Ehemann gesucht hätte. Für die Stansburys war altes Geld immer noch von Bedeutung.
    In jenem ersten Jahr war es mir eigentlich egal, was Tom von Margot hielt. Ich fühlte mich nicht mehr allein am Rande von allem, und nur das zählte. Meine Stimmung hob sich, und wenn ich in meinem Zimmer war, dachte ich an Tom. Doch dann folgte noch ein Jahr, noch ein Sommer, noch ein Rosenball. Es wurde deutlicher, dass Margot Julian bevorzugte. Ich glaube nicht, dass sie ihn liebte, aber seine Aufmerksamkeit schmeichelte ihr. Julian konnte jede Frau heiraten, doch er kam nach Hannesford, und alle wussten, warum. Margot lächelte weiterhin all ihren Bewunderern zu, wurde aber immer häufiger in Julians Begleitung gesehen.
    Und Tom protestierte nicht. Er biederte sich nicht an und drängte sich nicht in den Vordergrund. Er war derselbe angenehme Gesellschafter wie immer, und wir gingen spazieren und redeten, wie wir es stets getan hatten. Die Unterhaltungen mit ihm waren so unbekümmert, witzig und voller interessanter Themen wie früher. Doch ich spürte zunehmend den Konflikt, in dem er sich befand, so als litte er unter einer schmerzenden Wunde, die er verdrängen wollte.
    Vielleicht verlor ich in jenem letzten Sommer trotz des üppigen Duftes von Rosen, Mädesüß und Glyzinien deshalb die Geduld mit ihm. Schließlich waren nicht alle jungen Männer in Hannesford in Margot Stansbury verliebt. Andere Frauen hatten auch ihre Bewunderer. Das war eine Tatsache, die mir ein heimliches, beinahe primitives Vergnügen verschaffte.

6
    I ch wachte lange vor der Morgendämmerung auf. Der Weihnachtsmorgen hörte sich anders an als die übrigen Tage. Es gab keine Jäger, die mit Frühstück versorgt und angekleidet werden mussten, keine frühen Lieferanten an der Hintertür, nicht die übliche Unruhe, die an Werktagen herrschte und die ersten Stunden des Tages so geschäftig wirken ließ. Doch es war auch nicht wie an einem Sonntag. Dafür herrschte zu viel Aktivität, und selbst in den alltäglichen Aufgaben lag eine gespannte Erwartung. Ich genoss die Veränderung und die Geräusche des erwachenden Haushalts, streckte mich wohlig unter der Bettdecke aus und lauschte träge. Erst als sich die anderen Gäste rührten, schickte ich mich an, ebenfalls aufzustehen.
    In Hannesford gab es genaue Regeln, was die Weihnachtsgeschenke betraf, und ich war im Laufe der Jahre mit ihnen vertraut geworden. Es wurde nicht erwartet, dass Gäste einander oder ihre Gastgeber beschenkten. Am Weihnachtsmorgen aber fand jeder Gast eine kleine, hübsch verpackte Aufmerksamkeit von Sir Robert und Lady Stansbury auf seinem Teetablett. Nach meiner Erfahrung bekamen die Herren fast immer Taschentücher, die mit einem winzigen Abbild von Hannesford Court bestickt waren.
    Es war nicht nötig, den Stansburys vor dem Tag der Abreise für diese Freundlichkeit zu danken, aber es wurde erwartet, dass die Gäste der

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