Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Titel: Wiedersehen in Hannesford Court - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
festgestellt. Das Winterlicht fiel durch die hohen Fenster und warf wie immer seinen sanften Schein über die uralten Balken und Schnitzereien. Die Lampen brannten, und das Feuer tanzte um ein gewaltiges Julscheit, das den ganzen Tag langsam weiterbrennen und heftige Wärme verströmen würde. Die Gäste gingen davor auf und ab und tauschten die gleichen Weihnachtswünsche und die gleichen freundlichen Bemerkungen wie immer aus. Der Geist des Weihnachtsfestes schien sich auszubreiten.
    Hätte der unbeteiligte Beobachter jedoch die jungen Männer gezählt, wäre ihm ein Unterschied aufgefallen. Wir waren eine Gesellschaft von alten Männern und halbwüchsigen Burschen. Es gab jämmerlich wenige Männer in meinem Alter.
    Und doch schwärmte die gleiche Anzahl junger Frauen wie früher durch die Halle, sie plauderten und lächelten, als wären die dazugehörigen jungen Männer nur kurz nach draußen gegangen, um frische Luft zu schnappen. Ich erinnerte mich an Lady Stansburys Sorge wegen des Neujahrsballs, wie schwierig es sein würde, die Zahl der Männer und Frauen auszugleichen. Und zum ersten Mal dämmerte mir, dass dieskeine vorübergehende gesellschaftliche Unannehmlichkeit war. Die fehlenden Tanzpartner würden nie wieder den Raum betreten und konnten auch nicht durch andere ersetzt werden, denn es war überall das Gleiche. Bei jeder solchen Festlichkeit würde es in diesem und in allen folgenden Jahren junge Frauen geben, die nicht tanzten, weil ihre Partner auf den Feldern Frankreichs begraben lagen. Sie würden bis ans Ende ihres Lebens neben der Tanzfläche sitzen.
    Bei dem Gedanken überlief mich ein Schauer. Es gab keine Rückkehr in die Welt von früher. Ich hatte geglaubt, im Frieden würde das alte Leben wiederaufgenommen; ich hatte mich geirrt.
    Auf der anderen Seite des Saals unterhielt sich Bill Stansbury mit Laura Finch-Taylor, deren Ehemann nirgendwo zu sehen war. Sie schaute mit ihrem wissenden, ein wenig herausfordernden Blick zu ihm auf, und er errötete leicht. Wie alt war er? Neunzehn? Und unberührt von dem Gemetzel. Früher wäre er ein unauffälliger junger Mann unter vielen gewesen. In diesem Saal hingegen stach er heraus wie ein seltener, kostbarer Gegenstand. Vielleicht hatte Reggie Stansbury recht gehabt. Selbst mit einem halben Gesicht konnte sich der Erbe von Hannesford eine Frau aussuchen.
    Als der Empfang auf dem Höhepunkt war, fiel seltsamerweise eine Bemerkung, die mich an Professor Schmidt erinnerte.
    Ich hatte mit Sir Roberts neuem Verwalter geplaudert, einem Mann namens Parker, der von der schottischen Grenze stammte und in Mesopotamien, Griechenland und Flandern gedient hatte. Parker hatte einige der dringendsten Arbeiten beschrieben, mit denen er gerade beschäftigt war.
    »Ich muss leider sagen, dass das Anwesen in keinem guten Zustand ist. Ich bin überrascht, dass Sir Robert das geduldet hat. Mein Vorgänger war wohl länger krank gewesen. Und er hatte natürlich wenig Hilfe.«
    »Der alte Woodward?« Ich erinnerte mich verschwommen an einen reizbaren, ziemlich schwierigen Mann. »Was ist mit ihm geschehen?«
    »Es war wohl die Grippe. Hier war es nicht so schlimm wie in den Städten, heißt es, aber er war schon vorher krank. Kannten Sie ihn, Sir?«
    »Ein bisschen. Er hatte eine Tochter, die Gouvernante werden sollte.« Ich erinnerte mich an ein nervöses, recht hübsches und sehr ernstes junges Mädchen. Ihr Vater hatte sie ins Internat geschickt, und sie war im Sommer, in dem der Krieg ausbrach, nach Hannesford zurückgekehrt. Harry und Margot hatten sie demonstrativ zu einigen Picknicks eingeladen.
    »Von einer Tochter weiß ich nichts, aber seine Witwe lebt noch in einem der Häuschen auf der anderen Seite des Sees. An einigen davon müsste viel gearbeitet werden, sie sind in einem schlechten Zustand. Aber es sind immer noch keine Arbeitskräfte zu bekommen, und Sir Robert möchte, dass ich mit dem alten Bootshaus anfange. Für den jungen Mr Bill, sagt er. Wie ich hörte, wird es als eine Art Clubhaus benutzt?«
    Ich nickte. Bei dem Bootshaus handelte es sich in Wirklichkeit um ein prächtiges Sommerhaus am Seeufer, das in lebhaftem Blau und Weiß gestrichen war und zwischen den Bäumen versteckt lag. Sir Robert hatte es seinen älteren Söhnen als Rückzugsort für sich und ihre Freunde überlassen, eine Art Jagdhaus ohne Waffen. Als sie älter wurden, verwandelte es sich in einen Treffpunkt für Harry und seine Clique, an den sich die jungen Männer zum Rauchen,

Weitere Kostenlose Bücher