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Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Titel: Wiedersehen in Hannesford Court - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Haushälterin oder dem Butler einangemessenes Weihnachtsgeld für die Dienstboten überreichten.
    Nachdem die heikle Frage der Etikette somit auf einen Schlag geklärt war, konnten die Gäste den Tag zwanglos genießen, obwohl er recht unstrukturiert war, da keine Jagd stattfand und es für die Zeit zwischen Mittag- und Abendessen keinen festen Plan gab. Alles hing vom Wetter ab. Bei schönem Wetter konnte man spazieren gehen, ansonsten würden sich Sir Robert und die älteren Herren in die Bibliothek zurückziehen, um Karten zu spielen, bis es Zeit zum Umkleiden war. Als ich an jenem Morgen aufstand, ging über den Bäumen golden die Sonne auf, und ich war erleichtert. Es hatte über Nacht kaum geschneit. Also ein guter Tag für einen Spaziergang.
    Den Morgen verbrachten wir natürlich in der Kirche. Die Tradition verlangte, dass die Gäste sich kurz nach dem Frühstück in der Großen Halle versammelten und sich in einem feierlichen Zug ins Dorf begaben. Die Rückkehr erfolgte in ähnlicher Weise, wobei die Gruppe um Honoratioren aus dem Dorf angewachsen wäre, die alle zur Weißweinbowle in der Großen Halle eingeladen waren. Diese Tradition hatte seit Menschengedenken bestanden, bis sie wie so viele andere Dinge den Ereignissen an der Front zum Opfer gefallen war.
    An diesem Morgen ging ich fast die gesamte Strecke neben Margot. Die Bäume um uns herum waren noch vollkommen vom Schnee bepudert, doch der Weg unter unseren Füßen wurde allmählich matschig.
    »Und, Tom«, sagte Margot strahlend, während sich die Prozession durch den Wald schlängelte, »hast du dich schon entschieden, welche Position du in der großen Denkmaldebatte einnehmen willst? Stehst du auf Vaters Seite? Du könntest Probleme bekommen, wenn du den Pfarrer unterstützt. Mama macht sich furchtbare Sorgen, dass er es heute in der Predigt erwähnt. Falls ja, wird Vater toben.«
    »Ich bin mir sicher, dass Mr Uttley viel zu vernünftig dafür ist.«
    »Mag sein. Und er hat den Gedenkgottesdienst für Harry wunderbar organisiert. Hast du dir schon überlegt, was du sagen willst?«
    Das hatte ich nicht. Der Gedanke daran erfüllte mich mit Schrecken. Lady Stansbury, die vor uns ging, sagte gerade etwas zu Neil Maclean, und der Amerikaner lächelte breit. Alles war jetzt anders, nichts wie früher. Was nur sollte ich bei Harrys Gedenkgottesdienst sagen?
    Letztlich beschränkte sich der Pfarrer in seiner Predigt auf eine allgemeine Botschaft der Hoffnung und des guten Willens, und die Dorfkinder, die aus voller Kehle Weihnachtslieder sangen, verbreiteten aufrichtige Freude an einem Ort, wo es jahrelang wenig Grund zur Freude gegeben hatte. Seit meinem letzten Besuch in Hannesford hatte ich an seltsamen Orten Weihnachtslieder gesungen und immer wieder über die Kraft gestaunt, mit der sie selbst in dunkelsten Zeiten die Stimmung der Menschen aufzuhellen vermochten. Es war nicht logisch. Friede auf Erden. Den Menschen ein Wohlgefallen. Und nimm dich in Acht vor Senfgas.
    »Eine schwere Botschaft in solchen Zeiten«, sagte der Pfarrer, als er mir nach dem Gottesdienst die Hand schüttelte, »wo immer noch so viele Menschen Schmerzen leiden. Aber ich glaube, dass es tief in uns eine Stelle gibt, an der die Weihnachtsbotschaft niemals ganz erlischt. Meinen Sie nicht auch, Tom?«
    Seine Stimme war voller Freundlichkeit, aber sein Gesicht wirkte müde. Auch der Pfarrer hatte einen schweren Krieg hinter sich.
    »Ich habe Sir Robert gesagt, dass ich heute Morgen leider nicht mit nach Hannesford kommen kann«, fuhr Mr Uttley fort. »Wegen Mrs Uttley – sie fühlt sich nicht wohl genug, um dabei zu sein, obwohl Lady Stansbury angeboten hat, denWagen zu schicken. Ich hoffe, Sir Robert versteht das. Allerdings habe ich darauf bestanden, dass Anne mit Ihnen geht. Lady Stansbury hat sehr darum gebeten, und es wäre meiner Frau schrecklich, wenn Anne ihretwegen zurückbliebe. Wären Sie so nett, sie später nach Hause zu bringen? Falls sie es Ihnen gestattet. Sie ist eine sehr unabhängige junge Dame geworden.«
    Ich versprach es ihm, und dann trieb Bill Stansbury die Leute zusammen und führte sie zurück nach Hannesford Court. Es war zwingend, dass die Getränke unmittelbar nach der Rückkehr aus der Kirche serviert wurden, damit keiner der Gäste auf die Idee kam, bis zum Mittagessen zu verweilen.
    Ein unbeteiligter Beobachter, der an diesem Weihnachtsmorgen die Szene in der Großen Halle betrachtete, hätte vermutlich keinen Unterschied zu früher

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