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Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Titel: Wiedersehen in Hannesford Court - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Ortes in meine Seele drang. Dann aber kamen Harry und Margot dazu, weil sie noch jemanden für ihre Bootspartie suchten. Sie waren gut gelaunt und lachten laut. Ich zögerte, ging dann aber mit ihnen.
    Als der Sommer seinem Höhepunkt entgegenstrebte und die Temperaturen stiegen, wurden manche Dinge klarer. Es war unglaublich, verblüffend, beinahe unfassbar, doch Harrys Blicke konnten kein Zufall sein. Das konnte ich mir nicht einreden. Manche Menschen bemitleideten mich, andere suchten mein Vertrauen, doch war ich nie von jemandem begehrt worden. Aber in Harrys Blicken, die meinen offen und herausfordernd begegneten, entdeckte ich einen Funken, den ich nur als Begehren bezeichnen konnte.

I n Hannesford Court herrschte ziemlicher Aufruhr, als ich aus dem Pfarrhaus zurückkam. Bill Stansbury war auf der Jagd gestürzt und hatte sich den Arm oder den Ellbogen oder das Handgelenk gebrochen – die Meinungen darüber gingen auseinander. Allerdings waren sich alle einig, dass er Glück hatte, am Leben zu sein, und es herrschte große Aufregung im Haus. Mrs Rolleston warnte vor möglichen Komplikationen. Colonel Rolleston wetterte über die Bedeutung einer angemessenen Kavallerieausbildung für junge Gentlemen. Horatio Finch-Taylor, der vorsichtig wie ein Bischof auf die Jagd ritt, beklagte das Ungestüm der Jugend. Und der junge Denny Houghton wirkte geradezu beschwingt.
    »Ich sage euch«, wiederholte er, »ich dachte, mit Bill wäre es aus. Ist auf dem Kopf gelandet, der verdammte Trottel. Na ja, dort braucht er jedenfalls keine Verletzung zu fürchten, was?«
    »Das ist alles Unsinn«, verkündete Margot, als ich in einer ruhigen Ecke der Bibliothek, ganz in der Nähe der Vitrinen mit der Schmetterlingssammlung, die nach wie vor unvollständig beschriftet war, auf sie, Susan und Freddie Masters stieß. »Der Arzt sagt, sein Arm sei geprellt, nicht gebrochen. Er ist nur ein bisschen durcheinander. Neil ist bei ihm und Laura Finch-Taylor, die sich als Krankenschwester gefällt.«
    Susan bestätigte diese Version der Ereignisse, obwohl sie ein bisschen blass aussah, als hätte der Unfall sie erschüttert.
    »Komm schon, mein Mädchen.« Freddie streckte ihr die Hand hin. »Wir lösen die Aufpasser ab. Es ist besser, etwas zu tun, als nur hier zu sitzen und zu schwatzen.«
    Margot sah ihnen nach. »Freddie ist eigentlich ein ziemlich guter Mensch , nicht wahr? Das ist mir früher nie aufgefallen.«
    Die Ecke, in der wir saßen, war durch Bücherregale vom übrigen Raum abgeschirmt. Draußen malte der sterbende Nachmittag die letzten Farben auf die Wolken. In der Bibliothek brannte Licht. Es schien viel später, als es tatsächlich war. Ich stimmte ihr zu, dass ich Freddie mittlerweile in einem anderen Licht sah.
    Margot lächelte. »Vermutlich haben Harry und Julian früher so viel Aufmerksamkeit erregt, dass er einfach nur den Narren spielen konnte. Natürlich hatte man immer Spaß mit ihm. Nichts konnte ihn schockieren.« Sie sah mich an. »Und du, Tom? Habe ich dich schockiert?«
    Ich dachte an den Handschuh auf meinem Kopfkissen. »Ich glaube, mein Sinn für Humor ist an der Front unversehrt geblieben.«
    »Gut! In diesem Fall kannst du heute Abend mit mir tanzen. Denk dran, es ist der zweite Weihnachtstag. Bill wird das Grammophon im Salon aufstellen. Falls der arme Kerl dazu in der Lage ist.«
    Der arme Kerl war dazu in der Lage. Bill Stansbury trotzte den Untergangspropheten, indem er perfekt gekleidet, den linken Arm in einer Schlinge, pünktlich zum Abendessen erschien. Er schien ziemlich stolz auf dieses Souvenir seines Abenteuers und versicherte jedem, der es hören wollte, dass ein Sturz vom Pferd keine große Sache sei. In seiner Zeit in Uniform habe er viel Schlimmeres erduldet.
    Seine Genesung erwies sich als Segen, da die abendliche Unterhaltung weitgehend von seiner Begeisterung abhing. Am zweiten Weihnachtstag, so verkündete Sir Robert voller Stolz, hatten die Dienstboten von Hannesford frei. Obwohl die Definition dieses freien Tages ziemlich dehnbar war, hatte er sich zu einem Mythos entwickelt. Schon Monate im Voraus erzählte Sir Robert seinen Nachbarn kopfschüttelnd davon: »Kalte Platten am Abend. Da muss jeder zusehen, wo er bleibt. Aber wir kommen schon zurecht. Wir schaffen das.«
    Sir Robert selbst hatte eine nützliche Methode entwickelt, um zurechtzukommen, und zwar indem er dafür sorgte, dass er und seine Gäste woanders zum Essen eingeladen wurden. Seit vielen Jahren begab man sich an

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