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Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Titel: Wiedersehen in Hannesford Court - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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das, Allen? Nur nicht so schüchtern, reden Sie!« Rückblickend vermute ich, dass Denny als Einziger wirklich nicht verstanden hatte, was ich vor mich hin gemurmelt hatte, doch damals empfand ich es als Herausforderung. Also hob ich die Stimme.
    »Ich wollte damit sagen, wir haben sie doch getötet. Wir haben unseren Beitrag geleistet und sie erschossen.« Ich spürte den Zorn in meiner Brust, doch meine Stimme blieb ruhig. Mein Zorn war blass und kalt und ließ meine Hände zittern. »Männer aus Häusern wie diesem, die das Gleiche tun wie wir. Sie wollten auch nur nach Hause. Wir haben sie trotzdem getötet.«
    »Ganz ruhig, Tom.« Freddie Masters legte mir die Hand auf den Arm, doch ich konnte mich nicht mehr bremsen.
    »Herrgott noch mal! Für König und Vaterland. Zum Ruhme Gottes. Meinen Sie etwa, die hätten den anderen nicht das Gleiche erzählt? Meinen Sie etwa, die waren gern da drüben? Meinen Sie etwa, die wollten in den Schlamm und das Gas, nur um Engländer zu töten?«
    Ich wusste, dass ich eine Szene machte, konnte aber nicht aufhören.
    »In Deutschland kamen auch Telegramme an. Dort stehen die gleichen leeren Stühle am Tisch. Die gleichen leeren Betten. Aber sie können nicht in der Kirche stehen wie wir und Gott für den Sieg danken und sich selbst einreden, er sei das alles wert gewesen. Und jetzt wollen Sie auch noch ihre Witwen verhungern lassen. Warum lassen Sie sie nicht einfach in Ruhe? Warum lassen wir sie nicht alle einfach in Ruhe?«
    Es ist kaum zu beschreiben, wie tief die Stille war. Gewiss reichte sie aus, um meinen Zorn zu dämpfen. Ich kam mir albern vor, unhöflich und lächerlich. Ich spürte, wie Margot mich anschaute.
    »Es ist schon gut, Tom«, sagte sie sanft. Bill Stansbury neben ihr wirkte verlegen, Lucy Flinders nur erschrocken. Aber es war Denny Houghton, der als Erster sprach.
    »Es tut mir furchtbar leid, alter Junge. Ich meinte natürlich nicht … Nur so eine Redewendung, Sie wissen schon. Wir wissen, dass nicht alle Deutschen …«
    Und dann vertrieb Violet Eccleston die Anspannung.
    »Nun, ich für meinen Teil«, verkündete sie mit klingender Stimme und ohne jede Verlegenheit, »betrachte den Wunsch nach Vergeltung an der deutschen Nation als vollkommen natürlichen, wenn auch schädlichen Impuls, der wirtschaftlich gesehen völlig katastrophal ist …«
    Die Tatsache, dass Violet zu einer ihrer wohlbekannten Lektionen ansetzte, lockerte die Stimmung, und alle konnten durchatmen. Als ich mich bei Denny Houghton entschuldigte, wirkte er nicht feindselig, sondern erleichtert.
    »Sehr gut, Tom«, flüsterte Freddie Masters, als sich das Gespräch wieder allgemeineren Themen zuwandte. »Höchstnote für politesse . Falls du ihnen so etwas bei Harrys Gedenkgottesdienst bieten willst, sitze ich in der ersten Reihe.«
    Nach dem Essen trafen weitere Gäste ein. Sehr junge Männer, viele junge Frauen, kaum ein bekanntes Gesicht. Diese Zusammenkunft hatte immer leicht improvisiert gewirkt, aber die Stimmung war noch übermütiger als sonst. Anfangs fühlte ich mich zu beschämt, um mitzufeiern, doch Denny Houghton entschuldigte sich noch einmal bei mir, und mir wurde klar, dass ich mich zu den anderen gesellen musste, um nicht nachtragend zu wirken.
    Allerdings hatte mich mein eigener Zorn zu sehr erschüttert, um den Abend zu genießen. Violet Eccleston gratulierte mir demonstrativ zu meiner Offenheit, dann schlenderte Bill Stansbury herüber und plauderte ausführlich über irgendwelche Banalitäten. Schließlich entschied ich, dass Tanzen einfacher sei.
    Das Grammophon leistete gute Arbeit, und der Abend ging überraschend schnell vorbei. Ich tanzte mit Susan Stansbury, der Tochter des Arztes aus Hannesford und weiteren begeisterten jungen Damen aus den umliegenden Gemeinden, die ich kaum auseinanderhalten konnte. Mit Margot tanzte ich zu Beginn des Abends und später noch einmal, als sie strahlend und erhitzt zu mir herüberkam. Beide Male staunte ich über die Veränderung, jene Veränderung, die mir schon an meinem ersten Abend hier aufgefallen war. Ich hatte schon oft mit Margot getanzt, doch nie hatte sie sich so zwanglos bewegt, als interessierte sie sich nur für ihr eigenes Vergnügen.
    »Tom«, murmelte sie, als wir durch den eilig ausgeräumten Salon wirbelten und dabei peinlichst vermieden, mit Möbelstücken oder anderen Paaren zusammenzustoßen, »ichhabe dich noch nie richtig wütend erlebt. Nicht einmal damals beim Rosenball, als ich dir gesagt habe, dass

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