Wiedersehen in Hannesford Court - Roman
seine Gewalt durchstehen.
Ich blieb nur kurz am Fenster stehen, bevor ich die Läden schloss und das Licht aussperrte.
A ls ich den Zweisitzer nach der Fahrt zum George in die Stallungen zurückbrachte, wartete Margot dort auf mich. Sie war fürs Autofahren gekleidet.
»Mutter ist mit dem Daimler zu den Kirkpatricks gefahren«, erklärte sie, »und Neil, Freddie und Susan sind in Neils Wagen unterwegs, um sich die Ausgrabungen anzusehen, die man im Sommer im Moor durchgeführt hat. Alle anderen sind auf der Jagd. Und jetzt habe ich die Nachricht erhalten, dass es Mrs Bramley nicht gut geht. Tom, wärst du so lieb und würdest mich nach Stonebridge fahren, damit ich sie besuchen kann? Du kannst dich natürlich auch zuerst aufwärmen …«
Mrs Bramley war Haushälterin in Hannesford gewesen, als die Kinder noch klein waren, und hatte sich deren Zuneigung auch im Ruhestand bewahrt. Mir war sie immer ziemlich säuerlich erschienen, doch vielleicht war ein Löffel Essig genau die richtige Medizin für die widerspenstige Brut ihrer Arbeitgeber gewesen. Vor allem Harry und Margot waren ihr treu ergeben.
Ich fuhr gern, und der Zweisitzer war früher nicht so häufig verfügbar gewesen, weil alle jungen Männer aus Harrys Clique begeisterte Autofahrer gewesen waren. Daher war es für mich kein großes Opfer, mit Margot noch einmal loszufahren. Immerhin war ich gut gegen die Kälte geschützt.
»Susan fährt sich also die Ausgrabungen anschauen?«, sagte ich, als wir die schmale Landstraße entlangfuhren. »Ich wusste gar nicht, dass sie sich für so etwas interessiert.«
»Das tut sie auch nicht.« Ich spürte Margots neugierigen Blick. »Ich glaube, ihr Interesse gilt eher Freddie Masters.«
Ich brauchte einen Moment, um das zu verdauen.
»Willst du damit sagen, Susan hätte ein Auge auf Freddie geworfen?« Die Vorstellung war etwas überraschend.
»Ich glaube, sie hat ihn sehr gern. Ist dir nicht aufgefallen, wie oft die beiden zusammen sind? Seit die anderen gestorben sind, ist er eine große Stütze für sie geworden. Susan hat sich in London oft mit ihm getroffen. Die Menschen merken es nicht auf Anhieb, aber Freddie ist ungeheuer kompetent. Ich glaube, Susan verlässt sich sehr auf ihn.«
»Aber was ist mit Oliver? Sie hat mir erst gestern erzählt …«
»Dass sie ihn vermisst? Nun, das stimmt wohl auch. Aber es ist jetzt über zwei Jahre her, und wenn wir ehrlich sind, gibt es nicht mehr viele Männer wie Freddie. Er ist reich, hat eine vielversprechende Karriere vor sich, ist ehrenvoll durch den Krieg gekommen und sehr beliebt … Susan hat wohl begriffen, dass er nicht ewig auf sie warten wird.«
»Auf sie warten?« Ich nahm die nächste Biegung ein wenig zu flott.
»Freddie ist schon seit Jahren in Susan verliebt. Lange bevor Oliver Interesse an ihr gezeigt hat. Aber er wusste nie, was er zu ihr sagen sollte. Darum hat er wohl auch immer Unsinn getrieben, der arme Kerl. Wollte angeben. Und dann, ehe er sich versah, hatte er einen Rivalen. Oliver hatte sich hereingedrängt und ihm die Beute weggeschnappt.«
Ich dachte wieder an den Abend des Rosenballs, als die Gäste herbeiströmten und sich in der frühen Abendsonne im Garten verteilten. Susan hatte neben ihrer Mutter an der Tür gestanden und die Leute willkommen geheißen. Und Freddie? Hatte er nicht einem Diener mit großer Geste den Champagner aus der Hand genommen, um ihn nach draußen auf die Terrasse zu bringen? Das war typisch für seine Selbstdarstellung, seine großspurige Ritterlichkeit.
Ich hatte ihn erst viel später am Abend wiedergesehen. Er war gewiss dabei gewesen, als Oliver und Susan ihre Verlobungbekannt gaben. Ich versuchte, mich an die Szene zu erinnern, sah aber nur noch Olivers vom Triumph gerötetes Gesicht. Daher war es vielleicht nicht überraschend, dass Freddie an dem Abend dem Rosenball den Rücken gekehrt hatte. Der arme Freddie. Er hatte zugesehen, wie die Gäste auf Susans Verlobung mit einem Mann anstießen, den sie nicht liebte. Und dann hatte er erlebt, wie sie sich in ihren eigenen Ehemann verliebte … Aber er hatte gewartet. Seine Treue beschämte mich. Verglichen damit schienen meine eigenen Bemühungen ziemlich jämmerlich.
Ich genoss den Nachmittag mit Margot. Abseits der Gesellschaft von Hannesford, draußen in der frischen, weiten Landschaft, wirkte sie ruhiger und weniger kokett, und der kleine Scherz mit dem Handschuh schien vergessen. Da war wieder die Verbindung, die zwischen zwei Menschen besteht,
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