Wiedersehen in Hannesford Court - Roman
die einander gut genug kennen, um manche Dinge unausgesprochen zu lassen. Wir unterhielten uns über meinen ersten Besuch in Hannesford und die frühen Tage unserer Bekanntschaft, die noch nicht von den Schatten späterer Tragödien verdunkelt waren. Dann kamen wir auf gemeinsame Londoner Freunde, lachten über deren Schrullen und Eigenheiten.
Auch der Besuch bei Mrs Bramley war unterhaltsam. Die alte Haushälterin bestritt vehement, dass es ihr schlecht ging.
»Bin heute nur ein bisschen taub«, verkündete sie laut und heftig und wetterte dann gegen Lloyd George (der ihr nicht englisch genug war), den örtlichen Schmied (der ihr nicht höflich genug war) und den Kaiser (der für die frechen Mädchen aus den Munitionsfabriken verantwortlich war, die nicht wussten, was sich gehörte). Als sie uns beide zu schelten begann, weil wir nicht verheiratet waren, schauten wir einander verlegen an.
»Ich war immerhin fast verheiratet.« Margot wurde ein wenig rot, als sie sich gegen den Vorwurf wehrte. »Mit Julian,der im Krieg gefallen ist. Und Tom …« Sie schaute mich an. »Tom war zu lange Soldat.«
»Ich halte nichts von der ganzen Trauer«, entgegnete Mrs Bramley verärgert, wobei sie Margot anschaute. »Heutzutage wird viel zu viel getrauert. Es ist Zeit, nach vorn zu blicken.«
Zartgefühl und Zurückhaltung waren nicht Mrs Bramleys Stärke. Als wir das Häuschen verließen, brachen wir in Gelächter aus.
»Ist sie immer so?«, fragte ich. »Oder war das eine Ausnahme?«
»Sie ist immer so. Hast du bemerkt, wie alle die Stimme senken, wenn sie in meiner Gegenwart über Julian sprechen? Alle außer Mrs Bramley, sie ist gnadenlos. Man darf die Kinder nicht verwöhnen , lautete ihr Motto. Als ich die Masern hatte, war es ganz genauso.«
Der Sonnenuntergang an jenem Tag war spektakulär. Als wir nach Hause fuhren, stand der Himmel im Westen schon in Flammen, ließ die Schneereste auf dem Moor orangefarben erglühen und warf dramatische Schatten über die Landschaft. Als wir an den Stallungen vorfuhren, drehte sich Margot zu mir.
»Danke, dass du mich hingefahren hast. Und danke auch, dass du uns überhaupt besuchst. Ich hatte es gehofft. Du und Freddie seid meine Verbindung zu den alten Zeiten.« Sie biss sich auf die Lippe. »Es klingt sicher dumm, aber es hilft wirklich. Zu wissen, dass wir nicht alles verloren haben.«
Ich war überrascht. Margot zeigte sich selten nachdenklich. Und als ich ihr die Tür aufhielt und ihr beim Aussteigen half, küsste sie mich leicht auf die Wange.
Beim Abendessen gesellten sich Dr. Thomson und seine Tochter zu uns, und Violet Eccleston gelang es tatsächlich, mit Sir Robert Streit anzufangen. Thema der Diskussion war derVölkerbund, aber ich wusste, dass Sir Robert sich im Grunde nicht darüber ärgerte, sondern über Violet Eccleston selbst: ihr Selbstvertrauen, ihr Auftreten, ihre Überzeugungen. Der Streit flackerte einen Moment lang gefährlich auf, und Lady Stansburys Versuche, die Wogen zu glätten, waren weniger erfolgreich als sonst. Selbst Freddie Masters gelang es kaum, alle aufzuheitern. Insgesamt war es nicht der angenehmste Abend.
Nach dem Abendessen fand ich mich allein mit Sir Robert und erwähnte Reggies bevorstehende Rückkehr nach Hannesford, doch mein Gastgeber sah zu Boden. »Ja, Reginald. Eine schlimme Sache. Kann von Glück sagen, am Leben zu sein.« Danach lenkte er das Gespräch umgehend wieder auf das Kriegerdenkmal, und ich fühlte mich verlegen und unbehaglich und wünschte, ich hätte nichts gesagt.
Obwohl sich der Abend dahinschleppte, saß ich letztlich doch wieder mit Freddie Masters und der Brandykaraffe da.
»Sag mal, alter Junge …« Freddie sprach das Thema wie zufällig an, wobei er sich im Sessel zurücklehnte und die Beine ausstreckte. »Hast du dir schon überlegt, was du bei diesem Gedenkgottesdienst sagen willst? Er ist immerhin schon übermorgen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht. Ich bin mir nicht sicher, warum sie ausgerechnet mich gefragt haben. Du hast Harry doch viel besser gekannt als ich.«
Freddie betrachtete die Spitze seiner Zigarette. »Ich glaube, mein Name ist gefallen, aber Sir Robert war nicht davon angetan. Mir fehle es an feierlichem Ernst. Er befürchtet wohl, ich könnte unanständige Geschichten erzählen.«
»Was würdest du denn sagen, wenn du an meiner Stelle wärst?«
»Wenn ich an deiner Stelle wäre …« Er machte eine wegwerfende Geste. »Ich würde einfach aufstehen und sagen,
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