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Wiedersehen in Harry's Bar

Wiedersehen in Harry's Bar

Titel: Wiedersehen in Harry's Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schreiber
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Irgendwohin, wo es ruhig ist.«
    »Wie wär’s mit Connecticut?«
    Wie auf Stichwort ergossen sich laute Stimmen in die Piazza. Sie klangen ausgelassen und betrunken. Eine Gruppe junger Amerikaner in den Zwanzigern wankte auf uns zu, laut und johlend, auf dem Nachhauseweg von einer Kneipe.
    »Hey, Alter!«, rief einer von ihnen und rammte die Faust in die Luft. »Viva la Résistance!«
    »Wir müssen sofort von der Straße runter«, sagte Gobi. »Sonst gibt es für uns nur noch den Tod.«
    »Dann war also keiner der Priester da drin dein Ziel?«
    »Nein, das war ein einfacher Waffenkauf«, antwortete sie achselzuckend, »mehr nicht. Hier in Venedig habe ich kein Ziel mehr, aber wir müssen uns jetzt unbedingt eine Weile verstecken.« Die Flinte drückte sich in meine Lendenwirbel. »Wo ist dein Hotel?«
    Ich schloss die Augen und versuchte mich an den Namen zu erinnern, den Norrie am Telefon genannt hatte. Auf einmalwar er wieder da. Ein Dank den Fähigkeiten, die man sich in der Schule angeeignet hatte. »Guerrato«, sagte ich, »jedenfalls so ähnlich. Pensione Guerrato? In der Nähe der Rialtobrücke?«
    Auf der gegenüberliegenden Seite der Piazza, hinter der Kirche, blieb Gobi vor einer Telefonzelle der Italia Telecom stehen, packte den Hörer und drückte mich nach unten ins Dunkle, während sie, wie ich vermutete, die Auskunft anrief. Ich hörte sie etwas auf Italienisch murmeln. Als sie mich wieder nach oben zog, waren wir schon wieder in Bewegung, überquerten die bisher größte Steinbrücke, von der man einen dunklen Kanal und geschlossene Fenster sah, teure Galerien und Luxusläden, aber nichts erschien mir verlockender als die Aussicht, hier lebend wieder herauszukommen.

15
    »Happiness Is a Warm Gun«
    – The Beatles
    »Moment.«
    Es war nur ein Flüstern. Wir befanden uns auf einem Platz direkt neben einem Kanal, es war schon irgendwas nach ein Uhr morgens. Grünlichschwarzes Wasser schwappte gegen Stufen und Türschwellen. Ich blieb stehen, Gobis Hand auf meiner Schulter, und sah, dass sie auf die andere Seite des winzigen Platzes schaute, an einer Reihe von Handkarren vorbei, die über Nacht zugedeckt worden waren, hinein in eine schmale Straße ein Stück rechts von uns.
    »Was denn?«
    Sie gab mir keine Antwort. Im nächsten Augenblick setzte sie sich in Bewegung, überquerte den kleinen Platz und ließ mich einfach allein im Mondschein stehen.
    Ich muss hier weg, dachte ich.
    Bis zu diesem Moment hatte ich irgendwie geglaubt, dass Gobi uns zu meinem Hotel bringen würde, wo ich mich bemerkbar machen konnte, in der Hoffnung, dass Linus und die anderen zu meiner Rettung kommen, vielleicht mit einem Arsenal an Gitarren und Mikrofonen herbeistürmen und sie mit ein paar Strophen aus »All the Young Dudes« ablenken würden, während ich die Polizei anrief. Jetzt wurde mir klar, dass ich sie damit nur in Gefahr bringen würde. Diese Tournee war gelaufen. Wenn ich mit Gobibei ihnen auftauchte, wäre das ungefähr so, als würde ich eine entsicherte Handgranate durch den Mittelgang einer DC-10 rollen lassen. Man konnte ihr einfach nicht entkommen; man konnte nur hoffen, dass man sie überlebte.
    Ich musste wegrennen, so weit wie möglich. Vielleicht fand ich einen Job auf einem Fischerboot, das mich bis nach Capri mitnahm, wo ich am Strand eine Bar aufmachen, Sandalen mit Bastsohle tragen und den Rest der Band benachrichtigen würde, damit sie zu mir kämen, sobald die Luft rein war.
    Ich drehte mich um und lief eilig in die entgegengesetzte Richtung, wobei ich nach Möglichkeit den Weg suchte, auf dem ich am wenigsten sichtbar war. Hinter mir hörte ich, wie etwas scheppernd über das Steinpflaster kratzte.
    Etwas Großes, Übelriechendes prallte von hinten gegen mich, und zwar so fest, dass es mich von den Beinen riss. Es war so, als hätte mir jemand eine Rolle Teppichreste in den Rücken geworfen. Ich kam ins Straucheln, fing mich wieder, schabte mir die Handflächen auf und drehte den Kopf. Ich sah einen bärtigen Typen mit einem schweren Wollmantel neben mir auf dem Boden liegen. Er hielt sich stöhnend den Kopf, und aus dem Schnitt in seinem Gesicht tropfte Blut. Er versuchte sich aufzurichten und fluchte etwas auf Deutsch oder Arabisch oder Russisch, jedenfalls in einer dieser gutturalen Sprachen, die hauptsächlich aus Verdrossenheit und Schleim zu bestehen schienen.
    Gobi schien ihn sofort zu erkennen. »Swierczynski.« Ihr Stiefel krachte auf die Brust des Mannes und drückte ihn gegen das

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