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Wiedersehen in Harry's Bar

Wiedersehen in Harry's Bar

Titel: Wiedersehen in Harry's Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schreiber
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nicht stimmen – es musste sich um irgendeine Laufzeitverzögerung im Hauptrechner des Universums handeln –, denn als ich wieder hinsah, stand Gobi weniger als einen Schritt von mir entfernt, schob eine zweite Ladung in die Kammer und richtete die Flinte aus nächster Nähe auf Armitages Brust.
    Armitage klappte die Kinnlade nach unten und wollte etwas sagen, brachte aber kein Wort mehr heraus, bevor Gobi abdrückte. Ein drittes ohrenbetäubendes KRAWUMMS, und die Ladung aus der Schrotflinte schleuderte ihn so heftig aus seinem Stuhl nach hinten, dass er mit den Knien den ganzen Tisch umwarf und Wein und Gläser durch die Gegend flogen. Tauben nahmen Reißaus, und Leute kreischten aus der Ferne, wie man es nur wahrnimmt, wenn einem die Trommelfelle aus nächster Nähemalträtiert worden sind. Meine Ohren waren zwar durch mehrere Jahre Lautsprecher und Verstärker daran gewöhnt, aber der Schrei hörte sich trotzdem wie rückwärts abgespielt an, als würde die Menschenmenge ihn wieder in sich einsaugen, bis nur noch ein erschrockenes Keuchen übrig war, als sie sahen, was hier passiert war.
    Als ich wieder nach unten blickte, lag Armitage reglos in einer rasch größer werdenden Blutlache mit ausgebreiteten Armen und Beinen zwischen seinen Leibwächtern auf dem Pflaster. Die Pfütze breitete sich wie der Schatten eines sehr schnell herabfallenden Gegenstandes rings um ihn aus.
    Ohne zu zögern, langte Gobi mit ihrer freien Hand nach unten und packte Armitages Leiche unter den Armen, zog den schlaffen Körper hoch, als würde er nichts wiegen und hielt ihn wie einen Schild vor sich, wobei sie die ganze Zeit die Flinte in der rechten Hand behielt. Ein leises Knallen war zu hören, und ich sah, wie eine weitere Kugel in die Brust des Opfers einschlug. Als ich mich umdrehte, erkannte ich, dass der Schuss von irgendwo weit über uns gekommen war, und erst jetzt sah ich, dass sich mindestens noch eine Person auf dem Dach befand, die uns von dort aus beschoss.
    Gobi hob die Flinte mit einer Hand und schoss wieder, diesmal zur Basilika hinauf.
    »Hör auf zu schießen.« Irgendwo rechts von mir sah ich, dass Paula auf die Beine kam. Es hätte mich nicht gewundert, wenn sie ihr Handy gezückt und einen Krankenwagen angerufen hätte.
    Stattdessen kam eine Pistole zum Vorschein – eine glänzende, vernickelte Pistole, die sie mit professionellem doppelhändigen Schützengriff packte.
    Und damit auf mich zielte.
    »Paula?«, sagte ich verdutzt.
    Paulas Blick blieb auf Gobi gerichtet. Ihre Stimme war absolut ruhig. »Das ist eine Mossberg Pump-Action, stimmt’s? Kaliber .12, oder? Nette Flinte.«
    Gobi erwiderte nichts.
    »Das einzige Problem ist, dass du nachladen musst, bevor du wieder schießen kannst. Keine Bewegung – sonst stirbt er.«
    Vor uns, direkt vor dem umgestürzten Tisch, stand Gobi wie erstarrt, die Schrotflinte immer noch in der einen und Armitages Leiche in der anderen Hand. Obwohl meine Ohren immer noch klingelten, klang Paulas Stimme absolut klar und deutlich, als hätte sie jede einzelne Silbe in die Luft gemeißelt. Dann erwischte mich die Erkenntnis schräg von der Seite wie ein unerwarteter kalter Regenguss.

    Meine.
    Freundin.
    Paula.
    Zielte.
    Mit.
    Einer.
    Pistole.
    Auf.
    Mich.
    Ich starrte sie an. Ich konnte nichts sagen. Konnte nicht atmen. Trotzdem.
    Plötzlich warf Gobi die Flinte weg, stieß Armitages Leiche von sich, wirbelte herum und riss ein Bein waagerechtin die Luft, um Paula damit einen Axe-Kick ins Gesicht zu verpassen. Es krachte hässlich, und Paula ging zu Boden. Gobi schnappte sich ihr iPad, aber Paula musste die Pistole nicht losgelassen haben, denn durch das zerbrochene Glas und Blut und den vergossenen Wein schoss sie bereits wieder auf uns. Ich musste es wissen, denn ich spürte, wie zumindest eine Kugel dicht an meinem Kopf vorbeizischte.
    Meine Augen verdrehten sich seitlich in ihren Höhlen wie überhitzte Kugellager, um ja alles mitzukriegen. Ich sah Linus und Norrie aus dem Club auf der anderen Seite des Platzes herausrennen. Nach einem kurzen Blick auf das Geschehen warfen sie sich zu Boden.
    Dann packte mich Gobi am Arm. Ihre Finger waren fest wie eine Handschelle, ein Griff, von dem ich inzwischen nur zu genau wusste, was er bedeutete: Wegrennen oder erschossen werden. Wäre ich nicht weggerannt – und wenn sie immer noch die geladene Flinte in der Hand gehalten hätte –, dann hätte sie wohl selbst damit gedroht, mich zu erschießen.
    »Lauf!«
    Sie riss

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