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Wiedersehen in Harry's Bar

Wiedersehen in Harry's Bar

Titel: Wiedersehen in Harry's Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schreiber
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mich vorwärts und drehte mich um, als ich mich nicht aufrecht halten konnte. Meine Füße wussten eindeutig nicht, was sie tun sollten, denn sie hatten genug damit zu tun, mich vor dem Umkippen zu bewahren, aber wir überquerten den Platz wieder in Richtung Dom. Verkäufer und Touristen, die keine Ahnung hatten, was hier vor sich ging, drehten sich um und sahen zu, wie wir zwischen den Handkarren auf eine Reihe von Gondeln zurannten, die nebeneinander auf dem Wasser schaukelten.
    Von der Basilika herab klangen die Glocken jetzt wie Gottes höchsteigene Alarmanlage über den ganzen Platz.Irgendwie hörte ich immer noch Kugeln auf dem Pflaster hinter uns abprallen. Sie schienen gleichzeitig aus allen Richtungen zu kommen, von über und unter uns. Ich merkte, wie sich meine Aufmerksamkeit teilte und zwei widersprüchliche Gedanken verfolgte. Auf der einen Seite war Armitage noch am Leben, und ich saß mit Paula in einem Café und hörte ihm zu, wie er mir erzählt, was für ein Genie ich doch sei. Auf der anderen Seite versuchte die Frau, in die ich mich meines Wissens verliebt hatte, mich umzubringen.
    Allmählich bildete sich da ein Muster heraus.
    Dann war ganz plötzlich das Pflaster zu Ende.

22
    »Love Removal Machine«
    – The Cult
    Ich sah das Boot erst, als wir schon darin landeten. Es lag auf der anderen Seite des Betonkais tief im Wasser, zwischen einer Reihe mit blauer Plane zugedeckter Gondeln und einem schmalen Wassertaxi mit Glasverdeck und ramponiertem Rumpf versteckt. Mein rechter Fuß kam irgendwo auf, der Knöchel verdrehte sich, als das restliche Gewicht nachkam, und ich knallte mit dem Gesicht zuerst gegen einen der Sitze.
    Schwärzeste Dunkelheit.
    Moment mal.
    Ich nutzte die Gunst des Augenblicks und zog mich durch schiere Willenskraft wieder ins Bewusstsein zurück. Der Restschwung warf mich rückwärts aufs Deck, wo ich versuchte, mich an irgendetwas festzuhalten, das sich nicht aktiv von mir entfernen wollte. Der Aufprall hatte mir die Tränen in die Augen getrieben und alle meine Sinne schmerzhaft in Alarmbereitschaft versetzt, denn jetzt roch ich frisches Meerwasser und den metallischen Geruch meines eigenen Blutes, das mir aus der Nase tropfte. Der Motorenlärm des Bootes war ohrenbetäubend. Über mir stand Gobi am Steuerrad und rauschte in einer langgezogenen Kurve in den Kanal. Ich richtete mich auf und sah die Lichter der Brücke näher kommen. Sie war viel zu niedrig für unser Boot.
    »Ich hab dir doch gesagt, dass ich in Venedig noch ein paar offene Rechnungen habe.«
    » Armitage? «, rief ich.
    Gobi gab Vollgas, woraufhin der Bug des Bootes noch höher stieg, als könnte sie damit die Brücke irgendwie einschüchtern. Eine Sekunde überlegte ich, ob ich einfach über Bord springen sollte, aber wir waren viel zu schnell und ich hatte schon von Leuten gehört, die von der Schraube wieder angesaugt worden waren, was aber zu jenem Zeitpunkt womöglich das kleinere Übel gewesen wäre. Ich starrte geradeaus, nur noch zwanzig Meter bis zum Aufprall. Bei dieser Entfernung gab es keine Zweifel mehr. Entweder wir krachten voll gegen einen Steinpfeiler, oder wir rasierten uns die Köpfe ab – die Brücke war einfach nicht hoch genug.
    » Gobi! «, schrie ich in einem letzten Versuch. »Nicht!«
    Dann war es zu spät, und wir waren unter der Brücke, die höhlenartige, tiefhängende Dunkelheit sauste über uns hinweg. Ich hatte mich auf alle viere fallen lassen und hörte, wie die Brücke das Oberteil der Glasverkleidung abriss, was meinen Kopf und die Schultern in einen prasselnden Regen aus Glas, Metall und splitterndem Holz tauchte. Ein kreischendes Schrammen, dann bremste das Boot jäh ab, noch halb unter dem steinernen Bogen verborgen.
    Ich atmete schwer. Hier unten war es dunkel und kalt, das einzige schwache Licht kam vom Armaturenbrett.
    Gobi beugte sich immer noch nach vorne, halb über dem Steuer hängend.
    Sirenen.
    Ich machte mich schon zum Sprung bereit.
    »Warte.«
    Ich sah mich um. In der Dunkelheit rechts von uns erblickte ich ein zweites Boot, das keinen Meter entfernt mit einem Seil an einem Metallring festgebunden auf den kleinen Wellen dümpelte. Es war schon die ganze Zeit über dort gewesen.
    Gobi beugte sich hinüber, löste die Knoten des Haltetaus und ließ den Motor an. Sie legte einen Schalter um, und ich sah unter der Konsole des anderen Bootes ein rotes Licht blinken. Immer noch weit hinübergebeugt, stieß sie den Gashebel ein Stück nach oben und ließ das

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