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Wiedersehen in Harry's Bar

Wiedersehen in Harry's Bar

Titel: Wiedersehen in Harry's Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schreiber
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beinahe ernst – auf einmal war er ein Mann, der wirklich an das, was er sagte, glaubte, und der verstanden werden wollte.
    »Eins sollten wir klarstellen, Perry. Ich habe dir bereits gesagt, dass Zusane Zaksauskas zum Raubtier geboren ist. Sie ist eine schmutzige Bombe mit eingebautem Zeitzünder. So ist sie nun mal – und sie ist auch nicht mehr als das. Würde sie das hier nicht für uns tun, dann würde sie es für andere Leute tun.« Er blinzelte, triefäugig und verständnisvoll, als gäbe es immer noch eine Möglichkeit, dass wir alle in Freundschaft auseinandergehen könnten. »Ich habe selber auch Kinder. Zwei wunderbare Mädchen. Sie wohnen bei ihrer Mutter zu Hause in Virginia. Ganz erstaunliche junge Frauen. Sie spielen Geige und reiten Dressur. Eines Tages sind sie erwachsen, gehen aufs College und bekommen selbst Kinder und führen ein langes, glückliches Leben.« Sein Gesichtsausdruck sackte in sich zusammen. »Aber so jemand?« Sein Blick fiel auf die Gobi-Akte zu seinen Füßen. »Ich möchte nicht gefühllos klingen, aber abgesehen von einer Kugel in den Kopf ist Krebs das Allerbeste für sie.«
    Ich starrte ihn an. »Sie sind echt ein Arschloch, wissen Sie das?«
    Meine Stimme musste etwas Bedrohliches gehabt haben, denn ich sah jetzt einen zweiten Mann in der Ecke stehen, der mir bis jetzt noch nicht aufgefallen war. Ohne den Blick von mir zu nehmen, gab Nolan dem anderen Agenten zu verstehen, dass er sich hinsetzen solle.
    »Schon gut, Jeff«, sagte er. »Der Junge ist nur ein wenig durcheinander. Das sind die Teenager-Jahre.«
    »Ich bin nicht durcheinander«, erwiderte ich, und während ich die Worte laut aussprach, erkannte ich, dass sie der Wahrheit entsprachen. Mir war endlich eingefallen, wo ich den Namen Monash schon einmal gehört hatte, und auf einmal war ich ruhiger als in all den Tagen davor. Hätte ich die Finger an meine Halsschlagader gelegt, hätte ich einen ruhigen, gleichmäßigen Herzschlag von sechzig Schlägen pro Minute festgestellt, vielleicht sogar langsamer. »Zeigen Sie mir diese Bilder noch mal.«
    »Welche?«, brummte er widerwillig.
    »Die von Paula. Als sie klein war.«
    Mit einem weiteren, fast unmerklichen Schulterzucken ging Nolan in die Hocke und hob die Dokumente auf, die ich beim Umkippen des Tischs auf dem Boden verstreut hatte. Nachdem er die Fotos gefunden hatte, gab er sie mir, damit ich sie durchblättern konnte. Auf diesem Bild stand sie im Dubai Hilton mit ihrem Kindermädchen; hier ging sie in Paris mit einer hübschen blonden Frau, die ich aus den eingerahmten Fotos in Paulas Wohnung als ihre Mutter wiedererkannte, unter den Kastanien auf den Champs-Élysées spazieren. Beim nächsten Bild stutzte ich.
    »War das ihr Vater?«
    »Everett Monash, ja. Der, den Gobi vor dem Bahnhof erwischt hat, vor Armitage.«
    Ich betrachtete mir den Schnappschuss genauer. Paula, damals vielleicht sechs oder sieben, saß auf dem Markusplatz auf seinen Schultern, vor dem Dom, vor dem wir erst vor zwei Tagen gestanden hatten. Ich betrachtete mir Paulas junges, glattes Gesicht, dann das von Everett – ein großer,ein wenig satanisch aussehender Glatzkopf mit einem getrimmten Ziegenbärtchen, das nicht viel anders aussah als das, was ich am frühen Abend gesehen hatte, als der Mann im Hubschrauber gesessen hatte. Er war der Mann, der mit dem Gewehr auf Gobi gezielt hatte. Der Mann, den ich zum ersten Mal gesehen hatte, als er im Canal Grande aus einem Reisekoffer herauskam.
    Ich zeigte auf sein Gesicht. »Der war Gobis erstes Ziel in Venedig?«
    »Genau. Monash. Er und Paula gehörten zu Armitages Organisation.«
    »Sie wissen aber, dass er noch lebt?«
    Nolans Augen weiteten sich nur einen Millimeter. »Blödsinn.«
    »Stimmt aber. Er und Paula haben Gobi jetzt in ihrer Gewalt. Wahrscheinlich glauben sie, dass sie sie umdrehen können.« Ich sah ihn an. »An Ihrer Stelle würde ich jetzt hoffen, dass Gobi Ihnen die Lüge mit der Operation abgenommen hat, Agent Nolan – sonst sehen Sie sie wahrscheinlich nie wieder.«
    »Du lügst. Wir verfügen über unabhängige Informationen, dass Gobi ihn erschossen und seine Leiche in den Kanal geworfen hat.«
    »Schon«, erwiderte ich. »Aber was glauben Sie wohl, wer bei ihm im Kanal war, als er die Augen wieder aufgemacht hat?«
    »Ein kleiner Ratschlag, mein Junge. Verarsche keinen, der dich verarscht.« Nolan packte seine Unterlagen zusammen, nahm seinen Mantel und streifte ihn über. Auf einmal war er wieder ganz

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