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Wiedersehen in Harry's Bar

Wiedersehen in Harry's Bar

Titel: Wiedersehen in Harry's Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schreiber
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gesagt, dass diese elende Tusse alles versaut?«
    Wir standen immer noch im Eingang, kaum fünf Schritte vom Bürgersteig entfernt, Gobi und ich auf einer Seite und Linus vor uns mitten in einer Volle-Kanne-Schimpfkanonade.
    »Linus«, sagte ich, »du hast von unseren Tournee-Prozenten gesprochen. Paula wollte mich im wahrsten Sinne des Wortes umbringen.«
    »Sechs Prozent von der Abendkasse – da würde ich durchaus behaupten, dass sie uns alle umbringen wollte!«
    »Nein, ich meine richtig, mit einer richtigen Pistole.«
    »Wie auch immer.« Er machte eine abweisende Handbewegung. »Genau wie ich’s den Jungs gesagt habe: Inchworm bringt diese Tournee zu Ende. Ich hab schon immer gewusst, dass Armitage ein Gangster ist. Na und? In diesem Geschäft gibt es keine Skrupel. Glaubst du, David Geffen ist ein Heiliger? Das ändert überhaupt nichts an der Sache.« Er schüttelte den Kopf. »Die Veranstalter vor Ort bezahlen uns, und wir werden spielen. Bei der ›Slippery When Wet‹-Tour damals 86, als Bon Jovi eine Bronchitis hatte, haben wir damals vielleicht den Schwanz eingezogen und sind nach Hause gefahren?«
    Ich schaute an ihm vorbei. »Momentan würden wir erst mal gerne reingehen.«
    Linus führte uns, immer noch vor sich hin grummelnd, in den Club. Ohne Gäste und auch ohne Lightshow und Stroboskoplichter hatte das Nouveau Casino etwas Unwirkliches. Es war ein großer, offener Raum mit Harlekin-farbenen Wänden und Decken, die aus unregelmäßigen geometrischen Formen gestaltet waren. Auf einer Seite standen ein DJ-Pult und eine rote, mit Velourleder bespannte Bar, darüber ein altmodischer gläserner Kronleuchter, der aussah, als hätten ihn die Nazis aus dem Schloss von Versailles geplündert und nach der Libération versehentlich hier stehen lassen.
    Die Band stand auf der Bühne und machte gerade mal wieder einen Soundcheck. Als Norrie uns kommen sah, hörte er auf, seine Trommeln zu bearbeiten, ließ die Stöcke fallen und stolperte auf dem Weg zum Rampenlicht fast über seine Becken.
    »Ach du Scha-Scheiße – Perry? « Dann, als er Gobi erkannte, hob er beide Hände in einer verzweifelten Abwehrgeste,machte einen Schritt nach hinten und wäre dabei um ein Haar in Calebs Verstärker gefallen. »Ma-Mann, nee, ehrlich!« Seine Augen waren weit aufgerissen und sein Stottern, das schon immer die grausame Tendenz hatte, schlimmer zu werden, wenn er aufgeregt war, kannte keine Hemmungen mehr. Es hörte sich fast an, als würde er rappen. »Scha-Scho-Schaff sie weg von hier, Ma-Mann. Ich di-de-diskutiere nicht mal mit di-dir!! – scha-schaff sie einfach we-weg von hier, und zwar so-sofort! «
    »Schon gut«, erwiderte ich. »Alles in Ordnung.«
    »Sie-Sie ist ein ver-verda-verdammter Ku-Kugelmagnet! Ich wa-will sie hier ni-nicht haben!«
    »He, da ist ja Perry, das Schnabeltier!« Sasha ließ das Mikro fallen, kam zum Eingang und warf die Arme um mich und drückte mich übertrieben fest. Er roch wie eine Mischung aus Haarpflegemittel, Cool Ranch Doritos und Coke Zero, und obwohl ich ihn erst zwei Tage vorher gesehen hatte, packte mich auf einmal ein derartig heftiges Heimweh, dass ich am liebsten geheult hätte. »Was geht, Baron von Broheim? Das in Venedig war gaaaaanz schön abgefahren, was? Was machst du denn hier?«
    »Ich war grad in der Gegend«, sagte ich und fügte im Geiste hinzu: und setze wieder mal das Leben meiner Familie aufs Spiel.
    Sasha kicherte und boxte mir gegen den Arm. »In der Gegend, sagt er … Hör sich einer diesen Sprücheklopper an.« Er grinste übers ganze Gesicht, wobei er wie ein Zwölfjähriger aussah. »He, du solltest mal mit Linus sprechen. Ich glaube, er wollte ganz dringend irgendwas, na ja, du weißt schon, irgendwas besprechen oder so.«
    »Hatten wir schon.«
    »Cool. Ich finde Europa so was von geil. Ich glaube, ich ziehe hierher.« Er wandte sich an Gobi und war jetzt so ekstatisch, dass sich seine Worte ohne Punkt und Komma aneinanderreihten. »Und du bist auch hier, das original crazy chick, das ist so was von absolut cool, weil ohne dich wäre das alles ja überhaupt nicht abgegangen, und ihr zwei seid echt niedlich zusammen, wie Sid und Nancy, bloß ohne die Drogen – hey, Caleb, Norrie, habt ihr gesehen, wer hier ist?«
    »Hab’s ge-gesehen«, murmelte Norrie, und Caleb, der gerade seine Strat so gestimmt hatte, wie er sie haben wollte, winkte uns beschäftigt zu, als würde das alles in seiner Garage an einem gechillten Dienstag nach der Schule

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