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Wiedersehen in Harry's Bar

Wiedersehen in Harry's Bar

Titel: Wiedersehen in Harry's Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schreiber
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ich für sie als Attentäter arbeite, wenn sie mir einen Chirurgen besorgen und sich darum kümmern.« Sie führte die Hand an den Kopf. »Aber ich bleibe bei Kayas Angebot.«
    »Kaya darfst du auch nicht vertrauen.«
    »Perry, du musst mir etwas versprechen.«
    »Was denn?«
    »Wegen dem … in meinem Kopf, bin ich manchmal … nicht mehr da. Ich werde verwirrt. Ich weiß es. Erich hat es mir erzählt, als wir beide in Zermatt waren –«
    »Schon gut.«
    »Wenn es wieder passiert und ich … ich dich in Gefahr bringe, musst du mir versprechen, dass du es sauber zu Ende bringst.«
    »Was?«, sagte ich. »Du meinst, ich soll mich von dir trennen?«
    »Hör auf.« Sie stieß mich in die Seite. »Ich meine es ernst.«
    »Autsch! Verdammt!«
    »Deine Familie ist sehr nett zu mir gewesen, als ich in Amerika war, Perry. Sie haben mich aufgenommen, haben mich bei euch wohnen lassen, damit ich das zu Ende bringen konnte, was ich tun musste.« Sie richtete den Blick langsam auf mich, und ich erkannte, dass sie sich bereits entschieden hatte. »Willst du sie zurückhaben?«
    »Meine Familie? Das weißt du doch.«
    »Wir können nicht zur Polizei gehen.« Sie schlug den Mantel auf, und ich sah die Pistole, die sie Paula im Hubschrauber weggenommen hatte, eine 9-Millimeter-Glock Automatik. »Noch nicht.«
    »Nein«, sagte ich.
    »Wozu bist du bereit?«
    »Zu allem, was nötig ist.«
    »Weißt du noch, wie es mit uns in dieser Nacht in New York war?«
    Ich nickte.
    »Und du bist bereit, wieder in den Krieg zu ziehen?«
    »Wenn es sein muss.«
    Gobi holte das Blatt Papier heraus, faltete es auf und sagte mir, was sie sich ausgedacht hatte. Als sie damit fertig war, kehrte die Stille zurück, breitete sich im Auto aus, und diesmal fühlte sich das Schweigen zwischen uns richtig und angenehm an, und ich wusste, dass ich bei ihr bleiben würde. Ich atmete tief ein und wieder aus, drückte den Fuß wieder aufs Gaspedal und folgte der Straße durch den Wald der Nacht.

39
    »I Am the Highway«
    – Audioslave
    »Bist du fertig?«
    Es war kurz nach Tagesanbruch. Wir standen irgendwo in Frankreich an einer BP-Tankstelle, hatten den Peugeot aufgetankt und saßen mit zwei Bechern dampfenden Kaffee, die Gobi kurz davor mit einem Laib Brot mitgebracht hatte, im Auto. Auf der anderen Straßenseite glotzten uns zwei Kühe mit hemmungsloser Dummheit an. Wenn amerikanische Kühe gelangweilt aussahen, dann hatten die französischen Kühe dieses Verhalten zu einer Kunstform erhoben.
    Ich ließ den Motor an und fuhr aus der Tankstelle, während Gobi ein Stück Brot abriss, es mit Käse beschmierte und mir reichte. Ich hatte keinen Hunger, aber nachdem ich die Nacht durchgefahren war, fing ich allmählich an zu zittern. Rings um uns erstreckte sich die Landschaft in nassen braunen Feldern, wie die Gemälde von Cézanne, die ich mal in einem Bildband von meiner Mutter gesehen hatte. Abgesehen von der einen oder anderen Satellitenschüssel schien sich hier in den letzten hundert Jahren nicht viel verändert zu haben.
    Mein Telefon summte. Das Handy, das mir Gobi zugesteckt hatte.
    »Wer kennt diese Nummer noch?«
    »Niemand.«
    Ich ging ran. »Hallo?«
    »Hallo, mein Junge.«
    Diese Stimme hörte sich an, als schaufelte jemand Rollsplit in mein Ohr. »Agent Nolan«, sagte ich und spürte, wie Gobi neben mir reagierte, als ich einen Blick auf die leere Straße hinter uns warf.
    »Hör zu, wegen gestern Abend, darüber müssen wir nicht mehr reden, einverstanden?« Nolan hustete in den Hörer. »Ich möchte nicht, dass du denkst, ich wäre sauer deswegen oder so.«
    »Das ist doch alles ein großer Haufen –«
    »Du musst zugeben, dass es schon ein bisschen dumm war, stimmt’s?« Diesmal hörte sich das Husten eher wie ein amüsiertes Kichern an, und man konnte sich leicht vorstellen, wie er in einem sicheren Haus irgendwo in der Schweiz saß, seinen Nescafé umrührte und seine E-Mails checkte. »Du hast nicht viele Freunde in Europa.«
    »Einen schon.«
    »Ich wollte dir nur sagen, dass wir uns nach deiner Familie erkundigt haben. Bis jetzt leider noch nichts.«
    »Danke, und viel Glück bei der Ortung von diesem Handy. Ich werfe es jetzt weg.«
    »Ich habe nichts anderes erwartet.«
    »Auf Wiedersehen, Nolan.«
    »Mach’s gut, Perry.«
    Nachdem er aufgelegt hatte, sah mich Gobi an. »Was hat er gesagt?«
    »Er meinte, ich habe nicht viele Freunde in Europa.«
    »Stimmt das?«
    Mein Blick fiel auf das Schild vor uns. PARIS –

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