Wiedersehen in Stormy Meadows
wirft ihn über die Sofalehne. Sie trägt ein golden glitzerndes, rückenfreies Kleid von Joseph, das sich genau an den richtigen Stellen an ihre tolle Figur schmiegt. Es setzt ihren muskulösen gebräunten Rücken, ihre endlos langen Beine und ihr beneidenswert üppiges Dekolleté genau richtig in Szene.
»Du siehst super aus.«
»Ich war mit Peter unterwegs«, antwortet sie, schleudert ein Paar Riemchenpumps von den Füßen und setzt sich neben mich.
»Und da bist du um zehn schon wieder zu Hause?«
»Wir haben früh gegessen«, berichtet sie offenherzig, »und wir wollten uns auch früh zurückziehen, aber da kam ein Anruf, und er musste weg.«
»Ach so.«
Petra verzieht das Gesicht. »Ich weiß. So ist das nun mal, wenn man ein Verhältnis hat.«
Einen Moment lang herrscht einvernehmliches Schweigen. Irgendwas im Fernsehen nimmt Petras Aufmerksamkeit gefangen.
»Ich habe nachgedacht«, sage ich dann. »Über Weihnachten.«
»Und?«, fragt Petra, ohne mich anzusehen.
»Ich behalte sie auf jeden Fall bei mir.«
»Wen – Cas?«
»Ja.«
»Ich dachte, du wolltest Weihnachten ausfallen lassen.«
»Ich hab’s mir anders überlegt.«
»Jetzt erzähl mir bloß nicht, der Geist des toten Marley hätte dich aufgesucht – oh, entschuldige bitte.« Entsetzt fährt Petra zu mir herum. »Das ist mir einfach so rausgerutscht.«
»Macht nichts«, beruhige ich meine Freundin. »Weißt du, was ich an dir besonders schätze? Dass du noch so mit mir redest wie mit einem normalen Menschen.«
Nun lächelt sie wieder. »Süße, ich kann dir versichern, mit dir habe ich noch nie so geredet wie mit einem normalen Menschen.« Sie drückt mir die Hand. »Also, was hast du denn vor? Zu Weihnachten, meine ich?«
»Ich will dafür sorgen, dass Cas ein schönes Weihnachten hat, und zwar mit ihrer Familie. Dann muss sie nicht wie ein Straßenkind oder ein herrenloses Tier an einem fremden Tisch mitessen.«
»Das ist ja sehr löblich, aber denk dran – manche Straßenköter können ziemlich übel beißen. Ich sehe euch beide gerade vergnügt vor einem großen gefüllten Truthahn sitzen.«
»Ja, und Cassie schnappt sich das Messer und sagt: ›Na, dann will ich mal‹, und dann geht sie mir damit an die Kehle.« Ich werde wieder ernst. »Sag doch deinen Wellnesstrip ab und feiere mit uns Weihnachten«, bitte ich Petra.
Sie verschluckt sich fast an ihrem Wein. »Ach, das habe ich dir ja noch gar nicht erzählt«, platzt sie heraus. »Meine tolle Neuigkeit. Ich fliege nicht nach Barbados.«
»Nein?«
»Nein. Was viel Besseres. Peters Schreckschraube fliegt am neunzehnten Dezember zu ihrer Schwester nach Florida. Du solltest die Schwester mal sehen. Die hat so viele Schönheits-OPs hinter sich und so viel Sonne abgekriegt, dass ihre Haut wie ein altes Fensterleder aussieht. Jedenfalls legt sie sich gerade einen neuen Ehemann zu, Nummer sechs, glaube ich. Er ist so reich, dass sie sich wieder die Titten liften lassen kann … und sie heiraten an Silvester, deswegen jettet die ganze Familie für zwei Wochen in die Staaten.«
»Und das soll eine gute Nachricht sein?«, frage ich.
»Klar, denn der alte Saftsack kann aus beruflichen Gründen am Dreiundzwanzigsten noch nicht los. Er hat ihr zugesagt, er würde Heiligabend nachkommen, aber – und jetzt halt dich fest – mir hat er versprochen, dass er sich irgendeine Ausrede einfallen lässt und den Tag mit mir verbringt. Ist das nicht herrlich? Er fliegt erst später rüber und erzählt ihr, das Flugzeug hätte gebrannt oder etwas in der Richtung. Wir werden einen ganzen Weihnachtstag für uns haben. Ist das nicht herrlich?«, wiederholt Petra, als könne sie ihr Glück selbst kaum fassen.
»Ja, das ist toll«, antworte ich zweifelnd, denn mir ist nur allzu bewusst, dass Peters Versprechen so leicht zerbrechen können wie Schmetterlingsflügel.
»Aber ich hätte den Tag auch wahnsinnig gern mit euch verbracht.« Petra legt tröstend die Hand auf meine, denn sie interpretiert meinen Gesichtsausdruck als Enttäuschung.
»Mach dir keine Gedanken deswegen. Ich werde mir schon was ausdenken«, beruhige ich sie.
Drei Tage später, nach einer unruhigen Nacht, in der ich erst gegen Morgen endlich eingedöst bin, weckt mich das Telefon an meinem Bett. Eigentlich sollte das nichts Außergewöhnliches sein, aber seit Rob tot ist, ruft mich kaum noch jemand an, wahrscheinlich, weil ich nach seinem Tod irgendwann nicht mehr drangegangen bin. Ich habe eine schreckliche Phase
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