Wiedersehen in Stormy Meadows
besser«, verkündet Laura nach der dritten Tasse. »Du kannst losziehen, Hank. Ich glaube, das ist für heute alles. Oder nein – könntest du dir schnell noch den Riegel am Gänsepferch ansehen? Ich glaube, der ist ein bisschen locker.«
Als Zeichen, dass er verstanden hat, hebt Hank die Hand an die Stirn, dann nickt er Cas und mir zu und verlässt in seinem Seemannsgang die Küche. Laura schiebt die Pulloverärmel hoch und lächelt Cas und mich ein wenig zu strahlend an.
»Danke für eure Hilfe. Tut mir leid, dass ihr gleich mit anpacken musstet, ihr seid ja gerade erst angekommen, aber glaubt mir, ich konnte euch wirklich gut gebrauchen. Wie wäre es, wenn wir jetzt euer Gepäck nach oben bringen?« Sie deutet auf den Berg an der Tür. »Und dann sind wir fertig mit der Schlepperei, wenigstens für heute. Jetzt zeige ich euch erst mal, wo ihr schlaft. Nattie, du bist natürlich wieder in deinem alten Zimmer. Und für dich habe ich die Mansarde vorgesehen, Cas. Ganz oben unterm Dach, ist das nicht toll? Wir bringen dich als Erste hoch, ja? Ich möchte Nattie zeigen, was ich aus dem Raum gemacht habe. Sie wird ihn nicht wiedererkennen.«
Ich kann mich kaum noch erinnern, wie die Dachkammer früher ausgesehen hat, denn meine kurze Zeit auf Stormy Meadows habe ich meistens zurückgezogen in meinem Zimmer verbracht, wo ich melancholische Musik hörte und von einer besseren Zukunft träumte, irgendwo ganz weit fort von Cornwall.
Aus der Küche führt eine Treppe in den ersten Stock hinauf. Wir steigen hoch, und ich stelle mein Gepäck in meinem früheren Zimmer ab, dessen Fenster auf den Hofplatz hinausgeht. Dann kehre ich auf den Flur zurück. Laura öffnet eine Tür, die wie eine Schranktür aussieht, aber dahinter wird eine schmale Stiege sichtbar, die noch ein Stockwerk höher hinaufführt.
Meine Mutter geht voraus, dann kommt Cas, und ich bilde das Schlusslicht. Die Stufen der steilen Holztreppe knarren, als wir hochsteigen. Wir gelangen in einen Raum, der sich über die gesamte Länge des Hauses erstreckt. Aus den Veluxfenstern sieht man auf einer Seite den Hof, auf der anderen die Wildnis, die früher einmal ein Garten war, und dahinter die Wiesen.
Laura plappert immer noch wie ein Wasserfall. So redselig ist sie eigentlich gar nicht, aber dann wird mir klar, dass unser Besuch hier sie genauso nervös macht wie mich.
An den Giebelseiten hat der Raum große Fenster, das eine geht zur Landstraße hinaus, das andere zu den Wiesen zwischen dem Haus und dem Meer.
»Wenn du dich ganz rechts hinstellst, kannst du ein Zipfelchen Atlantik sehen«, sagt Laura, als ich automatisch zum hinteren Fenster hinübergehe. »Noch besser siehst du ihn allerdings, wenn du das Fenster aufmachst und den Kopf rausstreckst. Aber pass auf, dass du nicht rausfällst.«
Ich öffne das Fenster und lehne mich vorsichtig hinaus. Wenn ich das Gleichgewicht verlieren und hinunterstürzen würde, wäre der Tag für Cassie gerettet, denke ich und blicke auf die zur Steilküste hin abfallenden Wiesen.
Auf einer der Weiden schart sich eine kleine Rinderherde um einen Futtertrog, und in der Ferne steigen und sinken die Möwen wie Jojos im starken Wind. Ich erinnere mich, dass dieser Raum für eine Sammlerin wie Laura das Paradies auf Erden war, voller Kartons mit Gegenständen, die man normalerweise als Krempel bezeichnen würde, die für meine Mutter aber »Erinnerungen« darstellten. Doch aus dieser Abstellkammer ist ein richtiger Wohnraum geworden, ein schönes Zimmer, hell und geräumig, mit Wänden in einem sanften Himbeerrot, Dielenfußboden und Dachschrägen. Unter dem Fenster, das zum Zufahrtsweg und zur Landstraße hinausgeht, steht ein Kiefernschreibtisch mit einem Stuhl davor. Rechts und links unter den Dachschrägen befinden sich zwei Einzelbetten mit pflaumenfarbenen Überwürfen. Dazwischen steht ein gefülltes Bücherregal, und auf dem Boden liegen zwei Teppiche in blassem Himbeerrot und Cremeweiß sowie farblich dazu passende Kissen.
»Hier wohnst du.« Laura lächelt Cas an. »Ich hoffe, es gefällt dir.«
»Bestimmt nicht«, entfährt es mir unwillkürlich.
Meine Mutter hört diese Bemerkung und lächelt mir mitfühlend zu.
Cassie steht mitten im Raum. Sie dreht sich langsam um sich selbst, betrachtet alles, dann lächelt sie Laura an. Mit einem freudigen Lächeln, das sich über ihr ganzes Gesicht ausbreitet.
»Cool. Danke.«
Das haut mich fast um. Sie muss meine Worte gehört haben. Ich wette, sie hat sich nur
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