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Wiedersehen in Stormy Meadows

Wiedersehen in Stormy Meadows

Titel: Wiedersehen in Stormy Meadows Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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Ungetüm zärtlich den Kopf zu kraulen. »Ihr müsst bloß dafür sorgen, dass ihr schnell an den Tisch kommt, sonst nimmt er euch die Plätze weg.«
    Beim Essen herrscht unangenehme Stille. Laura richtet hin und wieder eine Frage an Cas, aber Cas will eigentlich gar nicht antworten. Es ist schwierig, einen Gesprächsstoff zu finden, und Schule ist im Moment offensichtlich ein Tabuthema.
    Jetzt probiert Laura es mit Musik.
    Meine Mutter liebt Musik. Ich erinnere mich, dass sie während meiner Kindheit ständig im Hintergrund Musik laufen hatte. Ganz egal, was sie gerade tat, Radio oder Plattenspieler begleiteten sie dabei. Am liebsten hörte sie Jazz – Nina Simone, Sarah Vaughan, Helen Carr, Julie London, dann Frank Sinatra, Big Bands, Swing, ab und zu auch mal ein bisschen Klassik oder Rock ’n’ Roll. Ich bin überrascht, dass im Moment keine Musik läuft. Das wäre besser als die Stille, die wieder entsteht, nachdem Cas meiner staunenden Mutter erzählt hat, dass sie gern Limp Bizkit, Dido und Sum 41 hört.
    »Sind das Popgruppen?«, wispert Laura mir bestürzt zu.
    »Mehr oder weniger«, flüstere ich zurück, wobei ich mir ein Lächeln nicht verkneifen kann.
    Wie immer stochert Cas in ihrem Essen herum und schiebt es auf dem Teller umher, bis es kalt ist. Auch ich bin nicht hungrig, aber unter Lauras Adleraugen bemühe ich mich, so viel Appetit wie möglich zu zeigen.
    Wir helfen beide, die Küche aufzuräumen. Zum ersten Mal sehe ich, dass Cas ohne Aufforderung zugreift. Wieder kann ich mein Gähnen nicht unterdrücken. Jetzt muss ich doch zugeben, dass ich nach der langen Fahrt erschöpft bin. Und weil ich auch noch auspacken will, ziehe ich mich in mein Zimmer zurück.
    Kurz darauf höre ich Cas nach oben gehen, dann fällt die Stiegentür laut ins Schloss. Bald folgen auch Lauras Schritte. Ich höre, wie sie ihre Zimmertür schließt, und gleich darauf erklingt leise das vertraute Geplärre von Radio Two . Mit dem Rücken an die Tür gelehnt stehe ich in meinem Zimmer und schaue mich um. Ich seufze tief.
    Es ist so seltsam, wieder hier zu sein, in dem Zimmer, das ich als Sechzehnjährige bewohnt habe. Wenn ich Laura in den vergangenen Jahren besuchte, habe ich immer eine Ausrede gefunden, um in einem netten Bed and Breakfast im Dorf zu übernachten, weit weg von allen Erinnerungen. Jetzt jedoch bin ich wieder hier in meinem Mädchenzimmer.
    Das Zimmer ist geräumig. Es hat einen Kamin, und vor dem großen Fenster auf den Hof hinaus befindet sich eine Fensterbank, die so breit ist, dass man darauf sitzen kann. Mein altes Messingbett und die Kiefernmöbel stehen noch an den gleichen Plätzen wie damals.
    Ein Unterschied zu meiner Kinderzeit ist, dass die früher pinkfarbenen Wände jetzt in einem viel angenehmeren sanften Ockerton gestrichen sind. Die Farbe erinnert ein wenig an das Altgold der Wände in der Küche. Vermutlich hat Laura übrig gebliebene Farbe mit Weiß vermischt und auch dieses Zimmer damit aufgehellt.
    Auch die Vorhänge und das Bettzeug haben sich verändert. Früher waren es rosa Blümchen – winzige Röschen auf weißem Grund. Ich habe dieses Muster gehasst, weil es so schrecklich mädchenhaft war. Jetzt sind es gelbe Blümchen auf weißem Grund, immer noch kitschig, aber etwas moderner. Ich glaube, damit kann ich die vier oder fünf Wochen, die wir uns hier aufhalten werden, leben.
    Mein Gepäck liegt auf dem Bett – eine praktische Aufgabe wartet auf mich. Ich verscheuche die melancholischen Gedanken und hänge meine Kleider in den Schrank, den ich schon als Teenager benutzt habe. Erst als ich mit dem Auspacken fertig bin und endlich ins Bett steige, spüre ich wieder dieses seltsame, fast unerklärliche Unbehagen. Wie eine kalte Hand streicht es mir über den Rücken.
    Trotz Lauras herzlichem Empfang fühle ich mich fehl am Platz. Ich wünschte, ich wäre zu Hause in meinem Bett, in unserem großen gemeinsamen Bett. Als ich den Entschluss fasste, erschien mir der Besuch hier verlockender als ein Weihnachten allein mit Cas in London. Ohne Rob in unserem gemeinsamen Zuhause konnte ich es mir nicht vorstellen. Im letzten Jahr habe ich es fertiggebracht, Weihnachten auszulassen, indem ich einfach so tat, als gäbe es die Feiertage nicht.
    Aber in diesem Jahr muss ich mich damit auseinandersetzen, und das nicht nur wegen Cassie. Wenn man einen geliebten Menschen verliert, denkt man ganz neu über die eigene Sterblichkeit und die eigenen Werte nach und besinnt sich auf das, was einem

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