Wiedersehen in Stormy Meadows
wird und ich wieder auf meinen Barhocker huschen kann, ohne dass ich mit dem Mann sprechen muss, dem ich heute Vormittag auf so wenig schmeichelhafte Weise vorgestellt wurde.
Doch wie sich herausstellt, hätte ich mir keinen ungünstigeren Zeitpunkt aussuchen können, um wieder in dem überfüllten Schankraum aufzukreuzen. Denzel lässt seine Finger immer noch über die Tasten jagen, aber Orlaithe steht wieder hinter der Bar. Jetzt wird der Pianist von einem neuen Sänger begleitet, dessen künstlerischer Ausdruck aber ein wenig dadurch leidet, dass er ganz offensichtlich sturzbesoffen ist. Außerdem benimmt er sich, als würde er regelmäßig in Las Vegas auftreten: Er steigt von der kleinen Bühne herunter und geht im Raum spazieren, um mit den Gästen zu schwatzen. Als ich hereinkomme, ist der Karaoke-Star gerade auf der Suche nach einem neuen Opfer, und ich laufe ihm direkt über den Weg. Statt unauffällig auf meinen Barhocker zurückzukehren, werde ich von ihm angequatscht.
Ich versuche, an ihm vorbeizuschlüpfen, aber er packt meine Hand, und dann steht er schwankend vor mir und bringt mir mit seiner Bierfahne ein Ständchen. Halb erstickt und vor Verlegenheit wie gelähmt stehe ich da und quäle mir ein Lächeln ab. Als das Lied nach einer gefühlten Ewigkeit endlich zu Ende ist, hebt er meine Hand an seine blauvioletten Lippen und drückt mir einen grässlich klebrigen Schmatzer auf den Handrücken.
Cas nimmt mein Unbehagen wahr und grinst schadenfroh. Als ich sehe, dass auch Connor Zeuge dieser peinlichen Szene ist, möchte ich mich am liebsten in ein Mauseloch verkriechen. Seine Augen strahlen vor Vergnügen, und er muss sich das Lachen verkneifen. Als er sieht, dass ich ihn anschaue, verdreht er immerhin mitfühlend die Augen.
Mir scheint, dass mich jetzt alle beobachten, der ganze Pub. Die kleine Kabarettnummer mit dem Säufer und der Frau mit dem hochroten Kopf ist das Highlight des Abends. Am liebsten würde ich mich umdrehen, auf direktem Weg zurück in die Toilette gehen und erst wieder auftauchen, wenn das gesamte Publikum so betrunken ist, dass es meinen kurzen Auftritt vergessen hat. Doch stattdessen hebe ich den Kopf und marschiere mit einem heiteren Lächeln zu meinem Barhocker zurück. Hoffentlich verrät mein rotes Gesicht nicht, wie sehr ich mich schäme.
Da höre ich leise eine überraschend schöne Stimme an meinem Ohr, die das Lied des alkoholisierten Sängers wiederholt. Connor steht neben mir.
»Sie sind ihm genau in die Arme gelaufen, was?« Er strahlt.
»Heute ist nicht mein Tag«, antworte ich mit einem steifen Lächeln.
»Wenn Ihnen das ein Trost ist – für mich haben Sie den Tag … na, wie soll ich es ausdrücken … interessant beginnen lassen.«
Angewidert von seiner Geschmacklosigkeit kneife ich die Augen zusammen. Connor jedoch prustet los. »Tut mir leid, ich konnte nicht widerstehen«, sagt er dann. »Aber ich glaube, ich sollte mich noch mal in aller Form vorstellen. So, wie es sich gehört. Das war ja heute Vormittag nicht richtig möglich.«
»Bitte nicht«, murmele ich. »Sie glauben gar nicht, wie peinlich mir das war.«
»Würde es Ihnen helfen, wenn ich sage, dass ich nichts gesehen habe?«
»Das wäre eine Lüge.«
Er nickt. »Aber wenn es Ihnen damit besser geht: Ich habe Ihren Podex nicht gesehen, und schon gar nicht das kleine Grübchen auf der linken Pobacke.«
Connor zieht mich schon wieder auf, aber dabei lächelt er freundlich und unbekümmert, und allmählich verliert sich mein Unbehagen. Ich erwidere sein Lächeln.
»Das ist besser.« Er streckt die Hand aus. »Connor Blythe. Oder lieber einfach Connor.«
Ich schüttle ihm die Hand. »Natalie Dunne. Oder meinetwegen auch einfach Nattie.«
»Schön, dich kennenzulernen, Nattie. Aber eigentlich weiß ich schon alles über dich, von deiner Mutter.« Connor schaut über meine Schulter, dann senkt er den Kopf und wispert vertraulich: »Ich muss dich warnen, dein neuer Freund ist in unsere Richtung unterwegs.«
Als ich mich umdrehe, sehe ich den trunkenen Sänger auf mich zustolpern. »Genau der richtige Zeitpunkt, um nach Hause zu fahren«, erkläre ich und blicke zu Cas.
Die hängt schon ganz schlaff auf ihrem Hocker, und somit kann ich auch Laura mühelos überzeugen, dass wir für heute Schluss machen sollten. Das Problem ist nur, dass meine Mutter nun verkündet, sie könne nicht mehr fahren, denn sie habe eindeutig zu viel getrunken.
»Orlaithe ist schuld, und ihr unerschöpflicher
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