Wiedersehen in Stormy Meadows
altes Schmuckkästchen und wickle es ebenfalls in Geschenkpapier ein. Die beiden Schachteln schiebe ich zu Cassies anderen Geschenken unter mein Bett, und das Schmuckkästchen stelle ich in die oberste Schublade von meinem Nachttisch.
Hell und kalt zieht der Sonntagmorgen herauf. Im Haus ist es auffallend ruhig. Normalerweise höre ich irgendwelche Aktivitäten – Cas im Bad, Laura in der Küche –, aber heute ist die Stille fast greifbar.
Cas hat ihren Geburtstag mit keinem Wort erwähnt. Ich glaube, sie rechnet damit, dass er dieses Jahr einfach ins Wasser fällt, obwohl es ihr sechzehnter ist. Weil sie so kurz vor Weihnachten Geburtstag hat, war Rob immer bestrebt, diesen Tag zu etwas ganz Besonderem zu machen. Er sollte sich von der Hektik der Weihnachtsvorbereitungen abheben.
Auch wenn ich räumlich etwas eingeschränkt bin, habe ich doch versucht, Cassies Vater ein wenig nachzuahmen. Was ihre Geschenke angeht, habe ich mir wirklich ein Bein ausgerissen, es sind viel zu viele, und ich habe keine Kosten gescheut. Ziemlich idiotisch, ich weiß, denn in gewisser Weise versuche ich, mir damit Cassies Zuneigung zu erkaufen. Das ist mir durchaus klar, auch wenn ich es, sollte jemand anders diesen Gedanken äußern, strikt leugnen würde. Obwohl mir bewusst ist, wie fragwürdig meine Großzügigkeit ist, schiebe ich jetzt als letzte Gabe noch einen Scheck über einhundert Pfund in Cassies Geburtstagskarte und klebe den Umschlag dann sofort zu, damit ich es mir nicht mehr anders überlegen kann.
Komisch, ich habe meinen sechzehnten Geburtstag auch hier gefeiert. Aber statt das Geld, das ich geschenkt bekam, für Klamotten, Make-up, Illustrierte oder Musik auszugeben – für all das, was Teenager sich normalerweise wünschen –, habe ich mir damit ein Zugticket nach London gekauft. Meine Fahrkarte in die Freiheit, oder jedenfalls dachte ich das damals.
Cas wirkt noch so jung. Und doch war ich in ihrem Alter, als ich loszog, um mir ein eigenes Leben aufzubauen. Man sagt, dass Kinder heutzutage schneller erwachsen werden, aber ich teile diese Ansicht nicht. Ich glaube, die Teenager von heute nehmen sich einfach mehr Freiheiten heraus und verkünden ihre Meinungen lauter und jederzeit. Daher erscheinen sie erwachsener, als sie es in Wirklichkeit sind.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Cas in der Lage wäre, allein zu leben. Oder erscheint sie mir einfach deswegen so jung und so unselbstständig, weil ich jetzt selbst älter bin?
Die Tür zur Küche ist geschlossen. Als ich sie öffne, stürzt Laura sich auf mich. Sie hat ein gestreiftes Party-Hütchen auf dem Kopf und trötet mit einem Luftrüssel.
»Überraschung!!!«, schreit sie und bewirft mich mit einer Handvoll Konfetti. Doch als sie erkennt, dass ich es bin, nicht Cassie, lässt sie den Luftrüssel fallen. »Ach, gut, du bist es. Ich dachte schon, du würdest den ganzen Spaß verpassen.« Sie schließt die Tür mit dem Fuß und greift hinter sich in eine Schachtel auf der Kommode. »Hier, setz den auf. Cassie ist schon seit mindestens einer Stunde im Bad fertig, sie muss also jeden Augenblick hier sein. Weiß der Himmel, was sie da oben so lange macht, und noch dazu so leise.« Laura reicht mir einen Party-Hut und eine Plastiktröte.
Sie hat die Küche mit Ballons und Luftschlangen dekoriert, und über dem Kaminsims hängt ein Buchstabenband mit Happy Birthday . Auf dem Tisch stapeln sich die Geschenke, die wir in der vergangenen Woche versteckt hatten, und daneben stehen fünf Gläser, ein Krug mit Orangensaft und eine Flasche Sekt mit einer Schleife um den Hals.
Ich rieche, dass im Herd frische Croissants warmgehalten werden, und zu meiner großen Freude steht statt der üblichen Teekanne eine alte Kaffeemaschine auf der Arbeitsplatte, die gerade Wassertropfen in einen Filter mit gemahlenem Kaffee spuckt. Selbst Meg sitzt erwartungsvoll auf der Matte vor dem Kamin. Ihr Fell ist schön gebürstet, und um den Hals trägt sie eine farblich passende Schleife.
»Da hast du ja ganz schön gerödelt, was? Du hättest mich wecken sollen, dann hätte ich dir geholfen«, sage ich zu meiner Mutter.
»Na ja, ich muss zugeben, dass ich für die Luftballons eine ganze Weile gebraucht habe. Aber als ich heute Morgen bei dir reingeschaut habe, hast du noch so friedlich geschlummert, dass ich dich nicht wecken wollte. Ich wundere mich bloß, dass Cassie immer noch nicht unten ist.«
Ich stelle mir vor, wie Cas an ihrem sechzehnten Geburtstag allein in ihrem
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