Wiedersehen in Stormy Meadows
alte Jacke übergezogen.
»Na, dann sollte ich doch eben schnell mal zum Autohaus fahren und mir einen brandneuen Ferrari besorgen.«
»Ich leihe dir das Geld. Ich hab ja genug.«
Meine Mutter und ich schauen beide rasch zu Cassie hinüber, die aber blickt stur geradeaus. Zum ersten Mal hat sie eine Anspielung auf ihr Erbe gemacht. Es ist beträchtlich, aber der größte Teil ist bis zu ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag unter treuhänderischer Verwaltung. Sie bekommt ein großzügiges monatliches Taschengeld, ihr Schulgeld wird bezahlt, und ich erhalte einen Betrag, der meine Ausgaben für sie deckt, wenn sie bei mir ist – Kleidung, Essen und Sonstiges. Den größten Teil davon habe ich bisher auf ein Konto unter ihrem Namen gepackt, denn ich sehe sie ja fast nie. Natürlich gibt es auch Klauseln, dass sie mit Zustimmung ihrer Treuhänderin – also mir – an das Vermögen herankann, falls sie eine größere Summe braucht, etwa für ein Auto, wenn sie den Führerschein gemacht hat, für eine Urlaubsreise oder für eine Klassenfahrt, die sie sonst nicht bezahlen könnte. Bisher jedoch hat Cassie mich nie um Geld gebeten und nie auch nur erwähnt, dass es existiert.
Laura schaut mich mit hochgezogenen Brauen an, dann lächelt sie Cas zu.
»Danke, Cas, das ist ganz lieb von dir. Aber diese alte Rostlaube und ich sind schon sehr lange zusammen, stimmt’s, Schätzchen?« Zärtlich tätschelt Laura das staubige Armaturenbrett. »Durch dick und dünn sind wir zusammen gegangen. Ich glaube, ich behalte ihn mindestens noch ein paar Jährchen.«
Vor dem Dorfladen halten wir an, um Bier zu kaufen. Ich gehe mit Laura hinein, und während sie über den verschiedenen Marken brütet, packe ich ein paar Weinflaschen ein sowie einen billigen Korkenzieher und Plastiktassen. Als ich an die Kasse komme, bitte ich die Kassiererin, mir auch noch einen großen Kasten Pralinen aus dem Regal hinter ihr zu geben.
Denn was soll’s – wenn ich mir schon da draußen den Arsch abfrieren muss, dann wenigstens stilvoll. Ein herber Chianti aus weißen Plastiktassen, die zerbrechen, wenn man sie zu fest anfasst, und trinken, bis die Zehen wieder warm sind und man dringend hinter irgendeinem Busch pinkeln muss. Dazu eine Schachtel Pralinen – was kann eine Frau sich Schöneres wünschen?
Laura fährt in Richtung Land’s End und biegt bei Sennen auf eine schmale Küstenstraße ab, die in die Bucht hinunterführt.
»Hier schwimmen oft Delfine«, erklärt sie und stampft auf ihre wirkungslose Bremse, um scharf rechts auf einen Parkplatz abzubiegen.
»Wirklich?«, fragt Cassie und schaut sofort aufs Meer hinaus.
»Ja, sicher. Ich habe hier schon mehrmals welche gesehen.«
Laura hält vor einer bröckelnden Mauer aus grauen Feldsteinen, zieht die unzuverlässige Handbremse an und steigt aus. Sie holt einen Ziegelstein unter dem Fahrersitz hervor und schiebt ihn vor das rechte Hinterrad. Dann kommt sie zurück, greift in die Fahrertür und nimmt eine Ledertasche aus einem Fach.
»Ein Fernglas«, erklärt sie und reicht es an mir vorbei zu Cas hinüber. »Für den Fall, dass wir Glück haben.«
Als ich aussteige, sehe ich, dass Hanks Betsy ein paar Parkbuchten weiter steht, und unten am Strand entdecke ich Orlaithe. Sie hockt auf einer pinkfarbenen Decke, und ihr flammend rotes Haar fliegt hinter ihr im Wind. Als sie sich umdreht, sieht sie den Land Rover und winkt uns begeistert zu.
Laura öffnet die Heckklappe. Mit aufgeregtem Gebell springen die Hunde heraus. Sie rasen los, setzen über die niedrige Mauer auf den Fußweg dahinter und flitzen nach unten, jagen über den Strand, dass der Sand hinter ihnen aufstiebt, und stürzen sich ins Wasser. Ihr langes, schwarz-weißes Fell ist patschnass, als sie wieder zu uns hochkommen, wo sie sich schütteln und am Picknickkorb herumschnuppern.
Die Tragetasche mit dem Wein und den Pralinen habe ich in der einen Hand, und mit der anderen zerre ich die Kühlbox aus dem Land Rover. Dann gehe ich nach vorn und warte, bis Laura und Cas den Rest aus dem Wagen geholt haben.
Ich glaube, Sennen Cove ist einer der schönsten Orte in ganz England. Links von mir beginnt die lange Promenade, eine endlose Front kleiner grauer und weißer Häuschen mit großen Fenstern. Am Ende befindet sich die Station des Seenotrettungskreuzers, geschützt von dem grünbraunen Bogen der Hafenmauer. Rechts von mir liegt der Strand: Whitesands. Ein weißer Sandstrand, der sich in einem schönen Bogen fast eine Meile
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