Wiedersehen in Stormy Meadows
Küche verlässt, fällt mir auf, dass sie Robs Uhr am linken Handgelenk trägt.
In dieser Nacht kann ich wieder nicht schlafen. Um zwei Uhr morgens kauere ich immer noch auf der Fensterbank und schaue in die Nacht hinaus. Mein Körper ist todmüde, aber in meinem Kopf toben die Gedanken und lassen mich nicht zur Ruhe kommen.
Wieder einmal greife ich zu Stift und Papier.
Lieber Rob,
heute hatte Cassie Geburtstag. Ich habe versucht, einen schönen Tag für sie zu gestalten, aber ich fürchte, ich habe alles vermasselt. Ich wünschte, ich wüsste, wie ich sie glücklich machen kann, was ich tun müsste, damit wir Freundinnen werden können.
Ich weiß, dass sich unter ihrer harten Schale ein verängstigtes kleines Mädchen verbirgt, das fast alles verloren hat, was ihm lieb und teuer war. Ich erinnere mich gut, was ich empfunden habe, als ich mit sechs Jahren meinen Vater verlor. Für mich war es damals hart, doch für eine unglückliche Vierzehnjährige, die ihren Hormonen ausgeliefert ist, muss es doppelt schwer sein.
Aber ich weiß nicht, was sie von mir will.
Sie macht gar keinen Versuch, sich mit mir anzufreunden, sondern ignoriert mich, wo sie nur kann. Ich weiß nicht, was schlimmer ist: dass sie mich einfach nicht beachtet oder dass sie sich über mich lustig macht, sobald sie doch einmal mit mir zu sprechen geruht.
Nein, Cas macht es mir in keiner Weise leicht, sie liebzuhaben oder auch nur zu mögen. Trotzdem möchte ich das so gern. Und schlimmer noch, ich möchte auch, dass sie mich gern hat. Nicht bloß deinetwegen, sondern auch um ihretwillen. Ich weiß, wie böse ich auf meine Mutter war, als ich so alt war wie sie. Aber ich bin nicht Cassies Mutter. Ich weiß eigentlich gar nicht, was ich für sie bin. Ein Ärgernis – doch, das ist mir klar! In ihren Augen habe ich kein Recht, ihr zu sagen, was sie tun und wie sie sich benehmen soll. Ihrer Ansicht nach dienen meine Bemühungen nicht dazu, sie zu ihrem eigenen Besten anzuleiten, sondern ich greife in ihr Leben ein, weil ich ein perverses Vergnügen daran habe. Wenn sie bloß wüsste, wie ungern ich das tue. Ich würde mich ja zurückziehen und sie nach eigenem Gutdünken allein weitermachen lassen, wenn ich nicht dieses tiefe Bedürfnis hätte, sie in die richtige Richtung zu lenken.
Ich fühle mich wie ein kleines Boot, das gegen den Wind segelt. Immer wieder denke ich, ich wäre ein Stück weitergekommen, aber dann stelle ich fest, dass ich mich kein bisschen vorwärts bewegt habe. Ich wünschte, du wärst hier, Rob, denn du wüsstest, was ich tun muss.
In Liebe
N.
Ich falte den Bogen zusammen, klebe den Umschlag zu und stecke ihn zu meinem ersten Brief. Als ich ins Bett krieche, fühle ich mich ein bisschen besser. Ich bin bereit, es erneut mit Cas zu versuchen und auch weiterhin hartnäckig zu bleiben, selbst wenn es aussieht, als würde ich nicht die geringsten Fortschritte machen.
5
Z wei Tage nach ihrem Geburtstag kommt Cassie morgens die Treppe heruntergestolpert. Sie reibt sich den Schlaf aus den Augen, ihr Haar steht nach allen Seiten ab, und unter ihrer Jeans hat sie noch die Schlafanzughose an. Sie schenkt sich ein Glas Milch ein, mopst eine Scheibe Toast von Lauras Teller und versucht zu essen und zu trinken, während sie sich ihre Jacke überzieht.
»Ich habe die Tiere schon versorgt«, sagt Laura.
»Ach so, danke.«
»Und Chance habe ich auch gefüttert und getränkt«, fügt meine Mutter rasch hinzu, als Cas ihre Reitstiefel anziehen will.
Cassie hält inne und schaut Laura fragend an. »Aber warum?«
»Wir machen heute einen Ausflug. Ich dachte, wir könnten deinen Geburtstag nachfeiern.«
»Aber wir haben doch schon ausgiebig gefeiert.« Cas runzelt die Stirn.
»Gut, dann ist das einfach ein Vorwand für ein Picknick«, gibt Laura vergnügt zu.
»Für ein Picknick? Mitten im Winter? Ist alles in Ordnung mit dir?«
»Es ist doch ein herrlicher Tag. Ideales Wetter für ein Picknick.« Meine Mutter zieht Cas ans Fenster und atmet tief ein, als wolle sie ihre Lungen mit frischer Luft füllen, obwohl das Fenster geschlossen ist. »Guck doch, wie schön die Sonne scheint.«
Sie lässt die Hand des Mädchens los. »Und jetzt geh unter die Dusche, und dann zieh dich warm an, sei so lieb. Nattie und ich bereiten inzwischen alles vor.«
Cas verzieht das Gesicht, steigt aber folgsam wieder die Treppe hoch. Ich sitze noch am Küchentisch.
»Na komm«, sagt Laura, »worauf wartest du denn?«
»Ausnahmsweise stimme ich Cas
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