Wiedersehen in Stormy Meadows
Wassertropfen übersät. Seine Haut schimmert feucht.
Connor holt sich saubere Sachen aus der hohen Kommode und verlässt dann fast fluchtartig den Raum. Allerdings nicht, ohne mir noch schnell zuzurufen, dass ich jederzeit Frühstück bekommen könne.
Ich höre ihn unten in der Küche. Ich höre den Wasserkocher brodeln und sich automatisch ausschalten. Ich höre das Klicken des Toasters, mit dem er das knusprige Brot ausspuckt. Ich höre die Musik im Hintergrund.
Am liebsten würde ich wegrennen. Mich schnell anziehen und aus dem Haus schleichen. Mich auf Zehenspitzen bis zur Trockenmauer davonmachen und von da an die Beine in die Hand nehmen, bis ich die Felsen der Klippenkante erreiche. Dort würde ich mich verkriechen.
Ich stehe auf und ziehe mich an. Connor muss mir nachts noch meine trockenen Sachen ins Zimmer gelegt haben. Doch statt mich davonzuschleichen, gehe ich ganz normal hinunter, setze mich an den gedeckten Tisch und frühstücke mit Connor. Wir sind beide einen Tick zu höflich, fast schon verkrampft.
Nach dem Frühstück bringt Connor mich nach Hause. Inzwischen hat es ganz aufgehört zu regnen, und die Straßen sind auch wieder frei. Stellenweise steht aber doch noch zentimeterhoch das Wasser. Der Feldweg nach Stormy Meadows ist so aufgeweicht, dass ich fürchte, wir werden nie ankommen. Doch der Allradantrieb des Land Rovers transportiert uns sicher durch Schlamm, Steine und Schlaglöcher.
Auf halbem Wege begegnen wir Hank und seiner Motorsäge. Er trägt einen braunen Wachsmantel mit Schultercape und einen schwarzen Stetson mit Goldkette als Hutband. Damit sieht er aus wie eine Mischung aus Gentleman und Cowboy.
Mit dem halbtoten Baum, der quer über den Weg gefallen war, hat er kurzen Prozess gemacht. Die Überreste liegen in handlichen Stücken sauber aufgestapelt am Wegrand, von wo sie sicher bald zum Trocknen in die Langscheune und schließlich in einen der Kaminöfen im Haus befördert werden. Er lüftet kurz den Hut, als wir an ihm vorbeifahren, und tritt einen Schritt zurück, um dem aufspritzenden Pfützenwasser auszuweichen.
Im Hof treffen wir die gestiefelte Cas und den gesattelten Chance an. Offenbar wollen die beiden ausreiten. Ich merke, dass Cas uns kommen sieht, und doch tut sie so, als habe sie uns nicht bemerkt und als müsse sie Chances Gurt noch mal nachziehen. Connor bringt den Wagen zum Stehen, und wir klettern hinaus auf die glitschigen, schlammigen Pflastersteine.
Die Hintertür öffnet sich, und meine Mutter tritt heraus in die Sonne. Über das ganze Gesicht strahlend wischt sie sich die mehligen Hände mit einem Geschirrtuch ab und begrüßt uns. Cas ignoriert uns immer noch.
Mac springt aus dem Auto und trottet zu Laura. Schwanzwedelnd schnuppert er an ihren Händen und ihrer geblümten Schürze. Der Duft nach frisch gebackenen Keksen entgeht nicht einmal einer Menschennase.
Cas steckt den linken Fuß in den Steigbügel, schwingt sich auf den Sattel, schnappt sich die Zügel und treibt Chance an, so schnell wie möglich an uns vorbei und vom Hof zu kommen. Ihre Miene ist dabei wie versteinert, ihr Blick stur geradeaus gerichtet. Doch der deutlich liebenswürdiger gestimmte Chance vermasselt ihr diesen dramatischen Abgang, indem er in der Hoffnung, Leckerlis zu finden, vor mir stehenbleibt und die weichen Nüstern gegen meine Jackentasche drückt. Cas’ Miene verfinstert sich. Sie gibt dem wenig begeisterten Tier die Sporen, und kaum haben sie den Weg erreicht, pariert sie es in leichten Galopp.
Verdutzt und fragend sehe ich meine Mutter an. Die seufzt nur und schüttelt den Kopf. Auch Connor sieht Cassie ziemlich verwirrt nach.
»Ich muss dann wieder nach Hause, ich hab eine Auftragsarbeit, die fertig werden muss«, sagt er, ohne den Blick von Cassie abzuwenden.
»Okay. Vielen Dank für alles.«
Er dreht sich zu mir um. »Gern geschehen. Wirklich. Eigentlich sollte ich mich bei dir bedanken, Nattie. Deine Gesellschaft hat gutgetan. Sag Bescheid, wenn du mal wieder Lust auf eine Runde Schach hast.«
»Oder auf eine weitere stürmische Nacht in deinem Bett«, rutscht es mir heraus.
Statt die Doppeldeutigkeit zu relativieren oder noch einen obendrauf zu setzen und so die Situation zu entschärfen, sehen wir uns einfach nur an. Und in dem Moment ist mir klar, dass er weiß, was in mir vorgeht, was ich für ihn empfinde, obwohl ich alles versucht habe, um es vor ihm – und vor mir selbst – zu verbergen. Er weiß, dass meine Gefühle für ihn nicht nur
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