Wiedersehen in Stormy Meadows
schüttelt den Kopf. »Überhaupt nicht.«
»Versteh mich nicht falsch, ich freue mich wirklich, dass die beiden so gut miteinander können …«
»Cas braucht auch dich als Vertrauensperson, Natalie. Das würde sie natürlich niemals zugeben, aber so ist es. Ich vermute, dass sie von dir mehr als von allen anderen erwartet.« Er hält inne. Wir schweigen einen Moment. »Ist sie ihrem Vater ähnlich?«, fragt er behutsam.
»In manchen Dingen sehr, in anderen gar nicht.«
»Wie war er?«
»Er war mein bester Freund.« Ich stelle mein Glas ab.
»Du vermisst ihn, hm?«
Er meint das nicht als Frage, dazu ist er viel zu klug. Er meint das als Aufforderung, ihm mein Herz auszuschütten. Und ich bin kurz versucht, es zu tun. Ich würde diesem Mann so gerne erzählen, wie sehr ich meinen verstorbenen Mann vermisse, all die Gefühle herauslassen, die ich seit fast zwei Jahren unterdrückt und weggesperrt habe – den Schmerz, die Einsamkeit, den Frust, die Wut … Aber ich darf nicht die Kontrolle verlieren. Meine Selbstkontrolle ist zurzeit mein einziger Antrieb, meine einzige Rettung. Ich kann nicht über Rob reden, möchte Connor aber gleichzeitig etwas über ihn erzählen.
»Cas sieht ihm ähnlich. Die Augen. Und die Mundpartie. Ich wünschte, sie wäre auch vom Charakter mehr wie er.«
Er sagt nichts darauf, und wir wissen beide, dass das Thema damit für heute beendet ist. Schweigend räumen wir auf. Ich biete an, abzuwaschen, wenn er abtrocknet. Es ist erst zehn Uhr, aber ich bin schon todmüde. Connor entgeht mein immer herzhafteres Gähnen nicht.
»Na, komm, ich zeige dir, wo du schläfst.«
Er geht mir voraus durchs Haus und die Treppe hoch in den ersten Stock.
Connors Schlafzimmer ist riesig. So, wie es aussieht, hat er das alte Haus komplett entkernt und dann ganz nach seinem Belieben neu entworfen. Drei Wände des Schlafzimmers sind in einem hellen Terrakottaton mit rauem Effekt gestrichen, die vierte Wand gegenüber dem Fenster sind in einem Sandton gestrichen, der an den Strand von Sennen Cove erinnert. Die schlicht abgezogenen Fußbodendielen haben die Farbe satten Karamells. Das Schlafzimmer verfügt über einen großen Kamin, größer als die anderen, so groß, dass man fast aufrecht darin stehen könnte.
Auch hier gibt es nur wenige Möbel. Ein großes Holzbett steht mit dem Kopfteil gegen die Wand zwischen den beiden Fenstern, durch die man bei gutem Wetter einen herrlichen Blick aufs Meer haben muss. Als Nachttische dienen zwei kleine Holztische mit je einer Messinglampe. Auf dem rechten liegen außerdem eine Herrenuhr und ein Telefon, auf dem linken leuchtet ein digitaler Radiowecker.
Gegenüber dem Bett steht eine wunderschöne, hohe Kommode und in der einen Zimmerecke ein Holzstuhl, über dem ein weißes Leinenhemd mit Farbspritzern hängt. Es ist ein gutes Hemd, ein teures Hemd, ein Hemd, das man mit Manschettenknöpfen und Seidenkrawatte trägt – und doch ist es ein Hemd mit zinnoberroten Künstlerklecksen.
Ich sehe es förmlich vor mir, wie er abends von einer schicken Dinnerparty nach Hause kommt und sich aufgekratzt, wie er ist, ganz der Muse hingibt und, ohne einen Gedanken an seine teure Garderobe zu verschwenden, selbstvergessen und ekstatisch Farbe auf die Leinwand bringt, Farbe, Farbe und noch mal Farbe, bis nicht nur die Leinwand, sondern auch er selbst genug davon abbekommen hat und er Befriedigung empfindet.
Seine Stimme reißt mich aus meinen Tagträumen.
»Also – das Bett ist frisch bezogen, habe ich heute Morgen gemacht. Nein, um ehrlich zu sein, hat meine Putzhilfe das heute Morgen gemacht – ja, ich habe eine Putzhilfe«, gesteht er mit einem Seitenblick. »Manchmal tauche ich so komplett in meine Arbeit ab, dass ich schlicht vergesse, sauber zu machen, darum hat deine Mutter mir Loveday geschickt. Eine ganz wunderbare Frau. Du kommst zufällig genau zum richtigen Zeitpunkt, sie hat nämlich den ganzen Vormittag damit verbracht, Ordnung in mein Chaos zu bringen. Wärst du gestern gekommen, hättest du dir das Hundebett mit Mac teilen müssen , weil das nämlich das einzige frische war … Gut – das Badezimmer ist nebenan, Handtücher findest du im Wäscheschrank. Ich überlasse dich dann jetzt dir selbst. Wenn du irgendetwas brauchst, ruf einfach, ja? Oder trampel auf den Boden«, witzelt er. »Ich bin im Zimmer direkt unter dir.«
»Danke«, sage ich leise, als er sich zum Gehen wendet. »Für alles.«
An der Tür zögert er einen Moment, als wolle er noch
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