Wiedersehen in Virgin River
verheiratet waren, wollte er mich ständig kontrollieren. Und er hatte Wut in sich, seltener auf mich, eher allgemein. Verstehen Sie, wie zum Beispiel beim Fahren. Oder wenn er sich über irgendwas bei der Arbeit geärgert hatte. Er handelt mit Aktien und Rohstoffen … extrem hoher Stress.“
„Und der letzte Übergriff …?“, fragte der Richter.
Mit zitternder Hand schob sie ihm die CD über den Schreibtisch. „Gleich am ersten Tag, als ich nach Virgin River kam, hat mich die Hebamme, die dort in der Arztpraxis arbeitet, untersucht, denn es gab Anzeichen für eine Fehlgeburt. Sie hat diese Fotos gemacht.“
„Jacks Frau“, warf Preacher erklärend ein, denn der Richter kannte Jack vom Angeln. „Mel.“
„Das war der letzte Übergriff“, fuhr Paige fort. „Damit hat er mich in die Flucht getrieben. Wieder einmal.“
Judge Forrest nahm die CD und schob sie in das Laufwerk seines Computers. Er klickte ein paarmal seine Maus an, dann richtete er den Blick auf sie. „Warum sind Sie nicht zur Polizei gegangen?“, fragte er.
„Ich hatte Angst.“
„Haben Sie überhaupt schon einmal Anzeige erstattet?“, fragte er weiter.
„Zweimal. Und ich hatte auch schon einmal eine einstweilige Verfügung, an die er sich nicht gehalten hat. Ich konnte nicht einmal bei meiner Mutter bleiben … die hat er ebenfalls bedroht.“
„Mel Sheridan hat diese Fotos datiert“, stellte der Richter fest.
„Ich weiß. Sie hatte mir gesagt, dass sie, ohne den Familiennamen anzugeben, eine Krankengeschichte anlegen wollte, die sie datieren und mir zur Verfügung stellen würde, falls ich sie brauche … für eine Behandlung oder was auch immer.“
„Das war auch notwendig. Ihre Verletzungen sind auf den fünften September datiert. Am zwölften hat er Sie und Ihren Sohn als vermisst gemeldet.“ Der Richter beugte sich zu ihr vor. „Junge Frau, das ist ein gefährlicher Mann. Wenn Sie ihn nicht anklagen, wird es keine Hoffnung geben, ihn zu stoppen. Allein werden Sie ihn mit Sicherheit nicht aufhalten können.“
„Ehrlich gesagt, es hatte mich überrascht, dass er nicht schon viel früher gegen mich vorgegangen ist.“
„Mich überrascht das nicht“, verkündete der Richter. „Er wollte doch nicht riskieren, dass man Sie findet und nach L. A. zurückbringt, solange Sie aussahen wie auf diesen Bildern.“ Er warf die CD aus und reichte sie ihr zurück. „Ich werde eine einstweilige Verfügung erlassen und Ihnen das vorläufige Sorgerecht übertragen. Dabei werde ich mich auf diese Fotos stützen und – womit ich sicher rechnen kann – die Zeugenaussagen der Hebamme und anderer. Er hat Sie geschlagen und dann so lange gewartet, dass Sie Zeit hatten zu fliehen und vielleicht sogar den Staat zu verlassen, bevor er Sie als vermisst gemeldet hat. Das setzt ja wohl voraus, dass Sie ihm ihre Absicht mitgeteilt haben müssen. Daher kann ich nur annehmen, dass Sie mit seiner Zustimmung gehandelt haben.“ Paige öffnete den Mund, aber der Judge bedeutete ihr mit einer Handbewegung zu schweigen. „Sagen Sie kein Wort mehr ohne Anwalt, junge Lady. Diese Woche, die er gewartet hat, bevor er seine Frau und seinen Sohn vermisst, spricht Bände. Aber Sie werden anwaltliche Hilfe brauchen. Wenn Sie Glück haben, können Sie in absentia eine Scheidung und das permanente Sorgerecht durchsetzen, aber wundern Sie sich nicht allzu sehr, wenn von Ihnen verlangt wird, dass sie nach L. A. zurückkommen. Wenn das geschieht, wohnen Sie nicht bei ihrer Familie. Es darf nicht bekannt werden, wo Sie sich aufhalten. Und fahren Sie nicht alleine.“
„Dafür werde ich sorgen“, sagte Preacher.
Der Richter nickte zustimmend. „Ihre Dokumente sollten in ungefähr einer Stunde fertig sein. Vielleicht auch zwei. Gehen Sie etwas essen, und dann kommen sie wieder her.“ Er stand auf. „Ich wünsche Ihnen viel Glück.“
Auf dem Rückweg nach Virgin River am späten Nachmittag sagte Paige: „Und jetzt kommt der Teil, der mir Angst macht.“
Rick pfiff vor sich hin, als er zur Arbeit erschien. Durch den Hintereingang war er durch die verlassene Küche in die Bar gelaufen, wo er Jack antraf, der gerade ein paar Rezepte durchblätterte. „Hey Jack“, grüßte Rick, und Jack sah auf. „Du lieber Gott!“, rief Rick erschrocken. „Mann!“
„Ja. Irgendwie hässlich, hm?“
„Wer hat dich geschlagen?“
„Ich bin gegen eine Tür gerannt“, antwortete Jack.
„Nee“, sagte Rick und schüttelte den Kopf. „Die Tür hat doch einen
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