Wiedersehen macht Liebe (German Edition)
haben es bis jetzt noch nicht geschafft, an seinen Anwälten vorbeizukommen. Und darum hat man den Fall jetzt uns übergeben. Wenn wir mit diesem Mann reden wollen, werden wir wahrscheinlich eine Vorladung benötigen. Ich bezweifle, dass er freiwillig kooperieren wird.« Sie warf Rylann einen leicht amüsierten Blick zu. »Er reagiert momentan wahrscheinlich ein wenig verärgert auf das Büro des Staatsanwalts. Besonders da wir ihn einen ›Terroristen‹ und eine ›Cyberbedrohung für die Gesellschaft‹ genannt haben.«
Rylann blinzelte. »Unser potenzieller Hauptzeuge ist Kyle Rhodes ?«
» Ihr potenzieller Hauptzeuge«, betonte Cameron. »Von jetzt an gehört der Fall allein Ihnen, Rylann. Der Twitter-Terrorist eingeschlossen.«
So viel zu ›aus den Augen, aus dem Sinn‹.
»Seltsam, dass ich nun schon zum zweiten Mal in dieser Woche mit ihm zu tun bekomme.« Sie hatte den Kerl neun Jahre lang nicht gesehen, und nun tauchte er immer wieder auf.
Das war nicht gut.
Gar nicht gut.
Cameron nickte. »Die Anhörung war reiner Zufall. Ich brauchte einen erfahrenen stellvertretenden Staatsanwalt aus der Sonderabteilung, um für Cade einzuspringen, und weil Sie gerade erst angefangen haben, war Ihr Terminkalender noch frei. Aber als mir das FBI gestern den Brown-Fall antrug, waren Sie die erste Person, die mir in den Sinn kam. Wenn jemand in diesem Büro eine Chance hat, Kyle Rhodes dazu zu bringen, freiwillig zu kooperieren, dann Sie. Ich habe die Mitschrift der Anhörung gelesen. Von Rhodes’ Standpunkt aus sind Sie die einzige Person, die für seine Freilassung plädiert hat.« Sie grinste. »Hoffentlich können Sie nun all Ihre Überzeugungskünste einsetzen, um ihn zum Reden zu bringen.«
Oder vielleicht schlägt er mir auch die Tür vor der Nase zu.
Womöglich war dies nicht der beste Augenblick, um ihrer neuen Chefin zu gestehen, dass sie den Verurteilten ihres ersten Falls geküsst und dann vor Gericht geschnitten hatte.
»Und wenn es nicht funktioniert?«, fragte Rylann. »Wie weit soll ich Ihrer Meinung nach gehen?«
»So weit Sie müssen.« Cameron lehnte sich vor und setzte eine ernste Miene auf. In diesem Moment wirkte sie ganz wie die Oberstaatsanwältin. »Als ich dieses Büro von meinem nicht besonders geschätzten Vorgänger übernahm, habe ich mir geschworen, Regierungskorruption auf allen Ebenen zu beenden. Ausgehend von dem, was mir das FBI erzählt hat, haben wir hier einen Gefängnisbeamten, der seine eigene Form der Justiz an Häftlingen ausübt, und seine Taten haben nun zum Tod eines Mannes geführt. Solange ich hier etwas zu sagen habe, wird er damit nicht davonkommen.« Sie sah Rylann in die Augen. »Wenn Kyle Rhodes diese Drohung gehört hat, haben wir genug für eine Verurteilung in der Hand. Sorgen wir dafür, dass genau das passiert.«
Rylann, die den entschlossenen Ausdruck im Gesicht ihrer Vorgesetzten sah, hatte darauf nur eine Antwort.
»Betrachten Sie es als erledigt.«
9
Da Rylann an diesem Abend keine Pläne hatte, blieb sie bis zwanzig Uhr im Büro und bestellte sich, als sie nach Hause kam, etwas beim Chinesen. Sie zog eine Jeans und ein T-Shirt an und machte es sich auf der Couch bequem, um ihre Eltern anzurufen. Sie waren vor ein paar Jahren in den Ruhestand gegangen und verbrachten die Winter nun in einem kleinen Stadthaus, das sie sich in der Nähe von Naples in Florida gekauft hatten. Im Laufe der letzten Jahre war Rylann aufgefallen, dass ihre Eltern die Definition von »Winter« immer weiter ausdehnten, daher hatte sie den leisen Verdacht, dass sie die beiden vor Juni nicht nördlich der Mason-Dixon-Linie zu sehen bekommen würde.
»Na, wenn das nicht die Frau der Stunde ist«, sagte Helen Pierce voller Stolz, als sie ans Telefon ging. »Warum hast du mir nicht gesagt, dass du am Fall des Twitter-Terroristen arbeitest? Ich habe mit deinem Foto überall in der Nachbarschaft angegeben. Das von dir im Gerichtssaal, auf dem du direkt neben diesem Kyle Rhodes stehst.«
»Ich bin ganz kurzfristig damit beauftragt worden«, erklärte Rylann. »Meine Chefin wollte, dass ich für jemanden einspringe.«
»Ich glaube, er starrt dir auf die Brüste.«
Rylann brauchte einen Moment, um zu verstehen, was ihre Mutter meinte. Ach so , das Foto von Kyle und ihr. »Er starrt nicht auf meine Brüste, Mom.«
»Was soll das denn sonst für ein Blick sein? Genau so starrt dich ein Mann an, wenn er dich nackt sieht. Oder nackt sehen will.«
Sofort fiel Rylann ein, wie Kyle
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