Wiedersehen macht Liebe (German Edition)
hatten sie ausgeschlafen, ein Restaurant fürs Mittagessen gefunden, sich draußen an einen der Tische gesetzt und bei gutem Essen und Wein geredet und die Leute beobachtet. Danach waren sie ins Hotel zurückgekehrt und hatten sich geliebt. »Ich erinnere mich. Auch wenn mir das jetzt sehr lange her zu sein scheint.«
»Ja. Eine Menge Dinge scheinen einem lange her zu sein.« Er wechselte das Thema. »Und? Wie läuft’s bei dir?«
Zuerst eine E-Mail, und jetzt rief er sie betrunken an. Sie hatte keine Ahnung, was momentan mit ihrem Ex los war, aber es war wohl an der Zeit, das herauszufinden. »Jon. Nichts für ungut, aber … was genau soll das werden? Unterhalten wir uns jetzt wirklich um zwei Uhr morgens?«
»Nein, das tun wir nicht. Bei dir ist es erst neunzehn Uhr«, erwiderte er pfiffig.
Rylann dachte, dass es am besten wäre, nicht lange um den heißen Brei herumzureden. Wenn auch nur aus dem Grund, dass sich die kostenbewusste und nicht besonders üppig entlohnte Anwältin in ihr allzu deutlich der Tatsache bewusst war, dass ihn dieser Anruf einen saftigen Euro pro Minute kostete. »Warum rufst du an?«
»Kann man nicht mal einer alten Freundin Hallo sagen, ohne dass es gleich als Verbrechen gilt?«
Sie nahm an, dass er versuchte, einen Scherz zu machen. »Ich habe deine E-Mail bekommen, erinnerst du dich? Das mit dem kurzen ›Hi‹ haben wir doch schon durch.«
»Ich wollte nur mal hören, wie es dir so geht, Ry. Deiner Antwort nach zu urteilen scheint ja alles in Ordnung zu sein, aber wer kann das schon anhand einer E-Mail sagen?«
Rylann strich sich die Haare aus dem Gesicht. Da sie und Jon übereingekommen waren, nach der Trennung erst mal nicht mehr miteinander zu sprechen, war diese Unterhaltung vermutlich unausweichlich gewesen. Im Allgemeinen benötigten Menschen in solchen Situationen früher oder später die Möglichkeit, mit der Sache abzuschließen. »Es geht mir gut. Ich glaube, Chicago und ich passen gut zusammen.«
»Ich bin mit Keith, Kellie, Dan und Claire in Kontakt geblieben«, sagte Jon. »Sie meinten, dass ihr euch nur ein paar E-Mails geschrieben hättet, nachdem du San Francisco verlassen hast. Als ich das hörte, habe ich mir ein wenig Sorgen gemacht.«
Ah, jetzt bekam sie langsam eine Ahnung, was hier los war. Sie hatte sich so sehr auf ihr neues Leben in Chicago konzentriert, dass sie ihr altes vielleicht ein wenig zu schnell beiseitegeschoben hatte. Keith, Kellie, Dan und Claire waren ihre »Paar«-Freunde gewesen, und die Trennung von Jon hatte die ganze Dynamik durcheinandergebracht. Sie hatte sich zwar während der vier Monate, die sie danach noch in San Francisco gelebt hatte, ein paarmal mit den Mädels getroffen. Aber Kellie und Claire hatten immer wieder gefragt, ob sie schon mit Jon gesprochen habe, nachdem er nach Rom geflogen sei – ein Thema, das sie nicht ständig aufs Neue hatte durchkauen wollen. Besonders da die Antwort stets Nein gelautet hatte.
»Ich war sehr mit meiner Arbeit beschäftigt«, antwortete Rylann. »Aber du hast recht, ich sollte sie mal anrufen.«
»Sie machen sich Sorgen, dass du allein in Chicago hockst und in Selbstmitleid badest.« Jon lachte. »Sie haben diese romantische Vorstellung, dass du vor Gram zerfließt und mir hinterhertrauerst. Also kann ich ihnen eine Mail schicken, um ihnen offiziell mitzuteilen, dass du in Ordnung bist?«
Sein Tonfall war beiläufig und scherzhaft, aber Rylann fragte sich, ob sie darin eine unausgesprochene Frage wahrnahm. »Es geht mir gut. Wirklich.«
»Sie werden erleichtert sein, das zu hören. Du erinnerst dich sicher, wie neugierig die vier sein können.« Sein Ton blieb beiläufig. »Und als Nächstes werden sie natürlich fragen, ob du dich mit jemandem triffst. Und die Antwort darauf lautet …?«
»Dass sie das überhaupt nichts angeht.«
»Natürlich.«
Am anderen Ende entstand eine lange Pause.
Plötzlich klang Jons Stimme sehr ernst, und die ganze Unterhaltung veränderte sich.
»Und was, wenn sie sagen würden, dass sie dich vermissen?«, fragte er leise.
Das war es also.
Rylann ließ sich einen Augenblick Zeit, bevor sie antwortete, weil sie sehen wollte, was für eine Wirkung die Worte auf sie hatten, wenn überhaupt. Sie fühlte sich nostalgisch und sogar ein wenig traurig. Ihr Tonfall war sanft. »Ich würde ihnen sagen, dass sie dank des Bernini-Brunnens und des Weins offensichtlich gerade einen sehr sentimentalen italienischen Moment haben, aber dass sie zweifellos morgen
Weitere Kostenlose Bücher