Wiedersehen macht Liebe (German Edition)
oft an sie, wenn er unter der Dusche stand.
Die Erinnerung daran, wie sie nass und nackt von den Düsen um sie herum massiert wurde, hatte sich wahrscheinlich für immer in sein Gehirn eingebrannt. Genauso wie die Erinnerung an ihren prächtigen Hintern, den er als Letztes gesehen hatte, als sie am Samstagmorgen aus seiner Wohnung gestürmt war.
Es war einfach die perfekte Affäre gewesen. Fantastischer Sex, keine Bedingungen oder Komplikationen. Er sollte zufrieden sein. Vermutlich sogar erleichtert, denn schließlich war Sex ohne Verpflichtungen genau das, wonach er an diesem Punkt in seinem Leben suchte. Und nun konnte er die Geschichte, die vor neun Jahren zwischen Rylann Pierce und ihm begonnen hatte, endlich abhaken.
Und doch fühlte sich die Geschichte … unvollständig an.
Kyle schüttelte den Kopf und war ernsthaft versucht, seine Stirn ein paarmal gegen das Lenkrad zu rammen, um diesem seltsamen Bann zu entkommen, unter dem er die letzten paar Tage gestanden hatte. Ein überzeugter Junggeselle beschwerte sich einfach nicht, wenn eine kluge und erotische Frau nach drei Runden unglaublichem Sex am nächsten Morgen einfach so verschwand. Das war wahrscheinlich etwas, worüber sich kein geistig und körperlich gesunder heterosexueller Mann beschweren sollte. Es ging gegen den Männerkodex – so als würde man es auf einer öffentlichen Toilette versäumen, zwischen sich selbst und dem Typen neben einem mindestens ein Urinal freizulassen.
Nachdem Kyle das geklärt hatte, wandte er seine Aufmerksamkeit wieder seiner Arbeit und der Wichtigkeit der heutigen Reise zu. Besonders da dies nach dem Tod seiner Mutter das erste Mal sein würde, dass er nach Champaign zurückkehrte. Er hatte den Ort nicht absichtlich gemieden; es hatte sich einfach so ergeben. Nach ihrem Unfall hatte er seinen Vater einige Monate lang unterstützt und einfach nicht die Gelegenheit gehabt. Er war damals sogar so beschäftigt gewesen, dass Dex Kyles Sachen für ihn packen und sie ihm zusammen mit seinem Wagen nach Chicago bringen musste.
Irgendwann hatte sich die Situation mit seinem Vater gebessert, aber zu diesem Zeitpunkt hatte Kyle bereits begonnen, die Karriereleiter der Rhodes Corporation hinaufzuklettern. Kurz darauf war Dex nach Chicago gezogen, um seine erste Bar in Wrigleyville zu eröffnen, und sie beide sowie der Rest ihrer Kumpels hatten angefangen, werktags hart zu arbeiten und am Wochenende zu feiern – Clubs, Frauen, im Sommer Strandvolleyball und Partys am See, Football im Lincoln Park und spontane Basketballspiele im East Bank Club, wenn das Wetter kühler wurde.
Kein schlechtes Leben. Ganz im Gegenteil. Auch wenn es vielleicht ein Leben war, das sich für Kyle jetzt, da er in seinen Dreißigern war, langsam ein wenig künstlich anfühlte.
Da war er nun. Dreiunddreißig Jahre alt und vorbestraft – aber auch mit einer Chance auf einen Neuanfang. Rhodes Network Consulting LLC bot ihm die Gelegenheit, allen zu zeigen, was er abgesehen vom Twitter-Debakel noch so draufhatte. In der Rhodes Corporation war er richtig gut gewesen, und er bedauerte es nicht, für seinen Vater gearbeitet zu haben. Aber nun war der Zeitpunkt gekommen, den Sprung zu wagen und sich etwas Eigenes aufzubauen.
Und zu beten, dass er damit nicht auf die Schnauze flog.
Als Teil seines Geschäftsplans hatte er Professor Roc Sharma, seinem ehemaligen Doktorvater und Leiter des Instituts für Informatik der University of Illinois, eine E-Mail geschrieben und ihn gefragt, ob er sich mit ihm treffen würde. Sharma hatte angedeutet, dass er heute verfügbar sei, aber nichts Genaueres geantwortet.
Als Kyle nach dem Unfalltod seiner Mutter aus dem Doktorprogramm aussteigen musste, war Sharma äußerst verständnisvoll gewesen. Sie hatten über die Jahre hinweg ein freundschaftliches Verhältnis zueinander gepflegt und den Kontakt aufrechterhalten. Allerdings nicht mehr, seit er wegen mehrerer Internetverbrechen verurteilt worden war.
Man konnte wohl sagen, dass so etwas im Institut für Informatik als großes Tabu angesehen wurde.
Kyle hatte keine Ahnung, was ihn erwarten würde, wenn er das Büro seines ehemaligen Mentors betrat. Wenigstens ermutigte ihn die Tatsache, dass sich Sharma überhaupt die Zeit genommen hatte, ihm zu antworten. Allerdings war der Professor schon immer für seine weitschweifenden Vorträge bekannt gewesen. Vielleicht hatte er einfach nur der Gelegenheit nicht widerstehen können, dem Twitter-Terroristen einen solchen
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