Wiedersehen mit Mrs. Oliver
zu den verschiedenen Attraktionen wies und Neuankömmlinge willkommen hieß. Poirot hielt sich unauffällig in ihrer Nähe und hörte einige der Gespräche.
»Wie geht es dir, liebste Amy?«
»Sehr gut, danke, Pamela. Wie reizend, dass ihr beide gekommen seid – ein so weiter Weg von Tiverton.«
»Das Wetter hat dich diesmal nicht im Stich gelassen. Erinnerst du dich noch an das Jahr vor Kriegsausbruch? An den Wolkenbruch um vier Uhr nachmittags, der das Gartenfest vollkommen ruinierte?«
»Ja, wir hatten einen herrlichen Sommer, Dorothy. Wir haben uns ja seit Jahren nicht gesehen …«
»Allerdings, und deshalb hatten wir uns auch fest vorgenommen, zum Gartenfest zu kommen, um dich und Nasse House wiederzusehen. Wie ich gleich bemerkte, hast du die Schlehdornhecke gründlich gestutzt.«
»Ja, dadurch kommen die Hortensien mehr zur Geltung, findest du nicht auch?«
»Herrliche Blüten – und dieses wunderbare Blau! Du hast wirklich im vergangenen Jahr ein Wunder vollbracht, Amy. Nasse beginnt wieder auszusehen wie in den guten alten Zeiten.«
»Bin während des Krieges einmal hier gewesen – hat mir fast das Herz gebrochen«, bemerkte Dorothys Gatte mit dröhnender Stimme.
Mrs Folliat begrüßte eine weniger vornehm aussehende Besucherin.
»Ich freue mich, Sie wiederzusehen, Mrs Knapper. Ist das Lucy? Wie groß sie geworden ist!«
»Sie kommt nächstes Jahr aus der Schule. Darf ich fragen, wie es Ihnen geht, Mrs Folliat?«
»Sehr gut, danke. Du musst dein Glück bei der Würfelbude versuchen, Lucy. Ich sehe Sie später im Teezelt, Mrs Knapper; ich werde dort mithelfen.«
»Ich freue mich auch, dass Sie wieder hier sind«, bemerkte Mrs Knappers Mann bescheiden. »Es ist fast so wie früher!« Mrs Folliat kam nicht dazu zu antworten, weil sie von einem großen, stattlichen Mann und zwei Damen mit Beschlag belegt wurde.
»Liebste Amy … ewig nicht gesehen … scheint ja ein Riesenerfolg zu sein! Und der Rosengarten sieht einfach phantastisch aus! Wie haben Sie das nur fertig gebracht?«
»Wo ist Marylin Gale?«, unterbrach sie der stattliche Mann. »Reggie kann’s kaum abwarten, sie kennen zu lernen; er hat ihren letzten Film gesehen.«
»Ist sie das? Die Dame mit dem großen Hut? Die sieht ja toll aus!«
»Unsinn, Reggie! Das ist doch Hattie Stubbs. Sie sollten ihr nicht erlauben, so herumzulaufen, Amy – wie ein Mannequin!«
»Amy!« rief eine andere Bekannte. »Darf ich dir Roger vorstellen – Edwards Sohn? Wie schön, dich wieder in Nasse zu sehen!«
Poirot schlenderte langsam weiter und kaufte sich in Gedanken versunken ein Los, mit dem er unter Umständen das Spanferkel gewinnen konnte. Die Worte: ›Wie nett, dass ihr gekommen seid …!‹ klangen ihm noch immer wie ein Refrain in den Ohren. Er fragte sich, ob Mrs Folliat sich absichtlich wie die Gastgeberin benahm oder ob sie diese Rolle unwillkürlich spielte. Auf jeden Fall schien sie am heutigen Nachmittag die Herrin von Nasse House zu sein.
Er stand jetzt vor einem Zelt mit der Aufschrift: »Für zwei Shilling wird Ihnen Madame Suleika die Zukunft voraussagen«. Man hatte gerade begonnen, den Tee zu servieren, und daher war vor dem Zelt der Wahrsagerin kein großer Andrang. Poirot bückte sich, betrat das Zelt, zahlte sein Eintrittsgeld und sank erschöpft auf einen Stuhl; endlich konnte er seine schmerzenden Füße ein wenig ausruhen.
Madame Suleika trug ein wallendes, schwarzes Gewand, einen Turban aus Goldbrokat und einen Schleier, durch den ihre Worte etwas gedämpft klangen. Am Arm hatte sie ein goldenes Armband mit kleinen Glücksanhängern, die klingelten, als sie Poirots Hand ergriff und ihm weissagte, dass er großen Erfolg bei einer schönen, dunkelhaarigen Frau haben werde, dass er zu viel Geld kommen und dass er einem Unfall, wie durch ein Wunder, entkommen werde.
»Ich hoffe, dass sich alle Ihre schönen Voraussagen erfüllen werden, Madame Legge«, sagte er.
»Sie wissen also, wer ich bin«, stellte Sally fest.
»Meine Informationen stammen von Mrs Oliver; sie erzählte mir, dass Sie ursprünglich ›das Opfer‹ sein sollten, aber dass man Sie ihr weggeschnappt und als Wahrsagerin verpflichtet hätte.«
»Ich wünschte, ich wäre ›der Leichnam‹, dann hätte ich wenigstens meine Ruhe. Jim Warburton hat mir das eingebrockt. Ist es schon vier? Ich habe von vier bis halb fünf ›Teepause‹.«
»Noch zehn Minuten«, entgegnete Poirot mit einem Blick auf seine altmodische Taschenuhr. »Soll ich Ihnen eine Tasse
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