Wiedersehen mit Mrs. Oliver
selbst Leute erstaunte, die sie kannten. Eins steht fest, dachte er: Lady Stubbs bleibt mir ein Rätsel. Jeder schien sie in einem anderen Licht zu sehen. Miss Brewis hatte angedeutet, dass Lady Stubbs ganz genau wüsste, was sie täte. Mrs Oliver dagegen hielt sie für geistig zurückgeblieben, und Mrs Folliat, die sie lange und gut kannte, beschrieb sie als einen nicht ganz normalen Menschen, der mit Liebe und Sorgfalt betreut werden müsste.
Miss Brewis hatte Lady Stubbs gegenüber wahrscheinlich ein Vorurteil gefasst, weil sie sie für faul und hochmütig hielt. Poirot hätte gern gewusst, ob Miss Brewis bereits vor seiner Heirat Sir Georges Sekretärin gewesen war; in diesem Fall mochte sie einer neuen Herrin von Anfang an feindlich gegenübergestanden haben.
Bis zum heutigen Morgen hätte Poirot jedenfalls unbedingt die Meinung von Mrs Oliver und Mrs Folliat geteilt, und schließlich konnte man einem kurzen Blick nicht allzu viel Bedeutung beimessen – oder doch?
Lady Stubbs erhob sich plötzlich.
»Ich habe Kopfschmerzen«, verkündete sie. »Ich werde auf mein Zimmer gehen und mich ein wenig hinlegen.«
Sir George sprang besorgt auf.
»Ist dir nicht gut, mein Kind? Bist du krank?«
»Nein, ich habe nur Kopfweh.«
»Heute Nachmittag wirst du doch hoffentlich wieder in Ordnung sein?«
»Ich glaube bestimmt.«
»Nehmen Sie zwei Aspirintabletten«, schlug Miss Brewis vor. »Haben Sie Aspirin, oder soll ich Ihnen welches bringen?«
»Nein, danke, ich habe Aspirin.«
Sie ging zur Tür und ließ auf dem Weg versehentlich ihr Taschentuch fallen. Poirot bückte sich und hob es unbemerkt auf.
Sir George, der im Begriff war, seiner Frau zu folgen, wurde von Miss Brewis zurückgehalten.
»Wo sollen die Autos heute Nachmittag parken, Sir George? Ich wollte Mitchell jetzt Bescheid sagen. Vielleicht ist es am besten …«
Weiter hörte Poirot nichts, weil er aus dem Zimmer ging.
Er überholte seine Gastgeberin auf der Treppe.
»Sie haben Ihr Taschentuch fallen lassen, Madame.«
Er überreichte ihr das Taschentuch mit einer Verbeugung. »Tatsächlich? Vielen Dank.«
»Es tut mir sehr Leid, dass Sie sich nicht wohl fühlen, Madame, ganz besonders, da Sie ja den Besuch Ihres Vetters erwarten.«
»Ich will Etienne gar nicht sehen«, erwiderte sie schnell, fast heftig. »Ich kann ihn nicht leiden. Er ist böse – er ist schon immer böse gewesen – ich fürchte mich vor ihm – er ist ein schlechter Mensch.«
Die Tür des Esszimmers wurde geöffnet, und Sir George kam die Treppe herauf.
»Hattie, mein armer Liebling! Komm, ich werde dich zu Bett bringen.«
Er legte den Arm zärtlich um ihre Schulter, und sie gingen zusammen nach oben. Er sah ängstlich und besorgt aus.
Poirot sah ihnen nach, dann stieg er langsam die Treppe wieder hinunter. In der Diele begegnete ihm Miss Brewis, die mit einem Bündel von Papieren unterm Arm schnell auf ihr Büro zuging.
»Lady Stubbs hat Kopfschmerzen, und ich …« begann Poirot.
»Ach was – Kopfschmerzen – keine Spur«, sagte Miss Brewis ärgerlich und verschwand in ihrem Büro.
Poirot seufzte und ging durch die Vordertür auf die Terrasse hinaus. Mrs Masterton, die gerade mit ihrem kleinen Auto vorgefahren war, beaufsichtigte die Errichtung des Teezeltes. Sie gab ihre Anordnungen mit tiefer, bellender Stimme. Dann wandte sie sich um und begrüßte Poirot.
»Jede Kleinigkeit macht so viel Mühe«, bemerkte sie, »und alles wird zunächst einmal auf den falschen Platz gestellt. Nein, Rogers! Mehr nach links – links, sage ich, nicht nach rechts! Was halten Sie vom Wetter, M. Poirot? Nicht besonders, was? Regen würde uns natürlich alles verderben, und bisher hatten wir einen so herrlichen Sommer. Wo ist Sir George? Ich muss mit ihm über den Parkplatz reden.«
»Seine Frau hat Kopfschmerzen und musste sich hinlegen.«
»Heute Nachmittag wird sie wieder ganz in Ordnung sein«, stellte Mrs Masterton zuversichtlich fest. »Sie liebt Feste und Gesellschaften, weil sie sich dann elegant anziehen und ihre kostbaren Toiletten vorführen kann – darüber freut sie sich wie ein kleines Kind! Würden Sie so gut sein, mir ein Bündel Holzklammern zu holen? Sie liegen dort drüben; ich brauche sie, um die Minigolfnummern zu befestigen.«
Auf diese Weise wurde auch Poirot zur Mitarbeit zwangsrekrutiert, und Mrs Masterton gönnte ihm keinen Augenblick Ruhe. In den kurzen Arbeitspausen richtete sie herablassend das Wort an ihn.
»Man muss alles selbst tun – die
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