Wiedersehen mit Mrs. Oliver
zufällig mit einem Schal über dem Kopf durch eine Seitentür aus dem Haus schlüpfen sehen.«
Poirot sah die ihm gegenübersitzende Frau nachdenklich an. Er fragte sich, ob man den Behauptungen von Miss Brewis, soweit es sich um Lady Stubbs handelte, irgendwelche Bedeutung beimessen konnte, oder ob es sich lediglich um Wunschträume handelte. Mrs Folliat, die Hattie viel besser kannte als Miss Brewis, sah sie ganz anders. Es würde Miss Brewis bestimmt in den Kram passen, wenn Lady Stubbs mit einem Liebhaber auf und davon gegangen wäre, denn dann würde es ihr zufallen, den unglücklichen Gatten zu trösten und die Scheidung in die Wege zu leiten. Aber ihm erschien das Ganze höchst unwahrscheinlich. Wenn Hattie Stubbs wirklich mit ihrem Liebhaber davongelaufen war, hatte sie sich dazu jedenfalls einen merkwürdigen Zeitpunkt gewählt, dachte Poirot. Er selbst glaubte nicht an diese Theorie.
Miss Brewis rümpfte die Nase und ordnete verschiedene Briefe. »Wenn Sir George wirklich darauf besteht, diese Anzeige in die Zeitung zu setzen, muss ich mich jetzt wohl darum kümmern«, meinte sie. »Ich halte es für eine sinnlose Zeitverschwendung. Oh, guten Morgen, Mrs Masterton«, fügte sie hinzu, als die Tür geöffnet wurde und Mrs Masterton mit energischem Schritt das Zimmer betrat.
»Die gerichtliche Untersuchung ist für Donnerstag angesetzt worden«, verkündete sie mit dröhnender Stimme. »Morgen, M. Poirot.«
»Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein, Mrs Masterton?« fragte Miss Brewis, die ihre Briefe geordnet hatte.
»Nein, danke; Miss Brewis. Ich nehme an, dass Sie heute Morgen alle Hände voll zu tun haben, aber ich möchte Ihnen für all die Arbeit danken, die Sie gestern geleistet haben. Sie verstehen es, zu organisieren und methodisch zu arbeiten. Wir sind Ihnen alle sehr zu Dank verpflichtet.«
»Vielen Dank, Mrs Masterton.«
»Lassen Sie sich bitte durch mich nicht stören. Ich werde mich einen Augenblick hinsetzen und mich mit M. Poirot unterhalten.«
»Enchanté, madame«, sagte Poirot, stand auf und verbeugte sich vor ihr.
Mrs Masterton rückte sich einen Stuhl zurecht und setzte sich. Miss Brewis – jetzt wieder kühl und gefasst – verließ das Zimmer.
»Großartige Person«, erklärte Mrs Masterton. »Ich weiß nicht, was Sir George und Lady Stubbs ohne sie anfangen würden. Es ist heutzutage nicht leicht, einen so großen Haushalt zu führen; Hattie könnte das nicht schaffen … Phantastische Angelegenheit – ich wollte nur wissen, was Sie davon halten, Monsieur Poirot.«
»Was halten Sie davon, Madame?«
»Es ist eine höchst unangenehme Vorstellung – ich fürchte, dass es sich um einen pathologischen Fall handelt, vielleicht jemand, der zu früh aus dem Irrenhaus entlassen wurde, das hört man leider immer wieder. Denn wer sollte auf die Idee kommen, die kleine Tucker zu erwürgen? Es muss ein Irrsinniger gewesen sein, und wahrscheinlich hat derselbe Kerl auch die arme Hattie Stubbs auf dem Gewissen. Unglücklicherweise ist Hattie ziemlich einfältig. Wenn ihr ein halbwegs passabler Mann begegnete und sie aufforderte, mit ihm in den Wald zu gehen, um sich etwas anzusehen, würde sie ihm sanft und harmlos und ohne den geringsten Verdacht folgen.«
»Glauben Sie, dass sich ihre Leiche hier auf dem Grundstück befindet?«
»Ja, M. Poirot. Sie werden sie finden, wenn die Suche erst einmal begonnen hat. Es mag nicht leicht sein, da wir hier etwas viel Wald haben; falls sie unter Bäumen oder im Gebüsch versteckt worden ist, werden wir Bluthunde brauchen«, sagte Mrs Masterton und sah, während sie sprach, selbst wie ein Bluthund aus. »Bluthunde! Ich werde persönlich bei der Polizei anrufen und das verlangen.«
»Sie mögen Recht haben, Madame«, meinte Poirot. Was sonst hätte er zu Mrs Masterton sagen können?
»Selbstverständlich habe ich Recht«, erklärte sie. »Ich muss sagen, der Gedanke, dass dieser Bursche frei in der Gegend herumläuft, ist mir höchst unbehaglich. Ich werde von hier aus ins Dorf gehen, um den Müttern zu sagen, dass sie ihre Töchter nicht allein ausgehen lassen sollen. Die Vorstellung, einen Mörder unter uns zu haben, ist nicht schön, M. Poirot.«
»Noch eine Frage, Madame: Wie konnte ein Fremder in das Bootshaus kommen? Dazu brauchte er doch einen Schlüssel.«
»Das lässt sich leicht erklären: Sie ist natürlich hinausgegangen.«
»Aus dem Bootshaus?«
»Ja, wahrscheinlich ist es ihr langweilig geworden, und sie ist ein bisschen
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