Wiedersehen mit Mrs. Oliver
Poirot?«
Poirot blickte in seine Kaffeetasse, während er antwortete: »Ich halte es für verfrüht, eine derartige Entwicklung in Betracht zu ziehen; wir haben vorläufig keinen Grund, uns mit diesem Gedanken zu beschäftigen.«
»Sie glauben es also«, stellte Sir George mit einem schweren Seufzer fest. »Und ich glaube es nicht«, fügte er trotzig hinzu. »Ich sage, dass sie wohl und munter ist.« Er nickte herausfordernd mehrmals hintereinander, bevor er aus dem Zimmer ging und die Tür hinter sich zuschlug.
Poirot bestrich nachdenklich eine Scheibe Toast mit Butter. In Fällen, bei denen es sich um den eventuellen Mord an einer Ehefrau handelte, fiel Poirots Verdacht zunächst einmal automatisch auf ihren Mann. (Im umgekehrten Fall verdächtigte er die Frau.) Aber in diesem Fall verdächtigte er Sir George Stubbs nicht des Mordes an seiner Frau. Obwohl er nur kurz Gelegenheit gehabt hatte, sie zusammen zu beobachten, war Poirot davon überzeugt, dass Sir George seiner Frau sehr zugetan war. Außerdem, wenn er sich auf sein ausgezeichnetes Gedächtnis verlassen konnte (und es hatte ihn noch selten im Stich gelassen), hatte sich Sir George während des ganzen Nachmittags auf der Wiese aufgehalten, bis er, Poirot, mit Mrs Oliver zum Bootshaus gegangen war und die Leiche entdeckt hatte. Als sie dann mit der Schreckensbotschaft zurückkehrten, war Sir George noch immer auf der Wiese. Nein, Sir George konnte für Hatties Tod nicht verantwortlich sein – falls sie wirklich tot war. Schließlich bestand, wie er eben zu Sir George gesagt hatte, vorläufig noch keine Ursache, das Schlimmste zu befürchten. Aber im Grunde seines Herzens war er davon überzeugt, dass sie nicht mehr am Leben war, dass es sich hier nicht nur um einen Mord handelte, sondern um einen Doppelmord.
Miss Brewis unterbrach seine Gedanken; ihre Stimme war von Tränen der Wut erstickt, als sie sagte: »Männer sind so töricht – so ungeheuer töricht! In mancher Beziehung sind sie klug, sogar gerissen, aber wenn’s zum Heiraten kommt, fallen sie auf die falsche Frau herein.«
Poirot war immer bereit, den Leuten zuzuhören. Je länger sie mit ihm sprachen, je mehr sie ihm von sich erzählten, desto besser, denn meistens war unter der Spreu ein Körnchen Wahrheit verborgen.
»Halten Sie diese Ehe für unglücklich?«, fragte er.
»Für eine Katastrophe!«
»Wollen Sie damit sagen, dass sich die beiden nicht vertragen?«
»Sie übt in jeder Beziehung einen schlechten Einfluss auf ihn aus.«
»Das ist interessant! Inwiefern, Miss Brewis?«
»Sie kommandiert und hetzt ihn herum, sie hat es nur darauf abgesehen, wertvolle Geschenke von ihm zu ergattern – sie besitzt mehr Schmuck, als eine Frau jemals tragen kann – und Pelze, zwei Nerzmäntel und einen russischen Hermelin. Wozu braucht eine Frau zwei Nerzmäntel, können Sie mir das erklären?«
Poirot schüttelte den Kopf.
»Das weiß ich wirklich nicht«, meinte er.
»Eine falsche Person«, fuhr Miss Brewis fort, »spielt die Unschuld vom Lande, besonders wenn wir Besuch haben. Wahrscheinlich glaubt sie, dass ihm das gefällt.«
»Und gefällt es ihm wirklich?«
Miss Brewis schien jetzt einem hysterischen Anfall nahe zu sein. Sie sagte mit zitternder Stimme: »Männer! – Was wissen denn die! Tüchtigkeit, Selbstlosigkeit, Loyalität – alle diese Eigenschaften bedeuten ihnen nichts! Mit einer tüchtigen, intelligenten Frau hätte Sir George etwas im Leben erreichen können.«
»Was hätte er erreichen können?«
»Er hätte in unserem Landkreis eine wichtige Rolle spielen oder sich um den Posten eines Parlamentsabgeordneten bewerben können. Er würde sich dazu viel besser eignen als der arme Mr Masterton. Ich weiß nicht, ob Sie Mr Masterton jemals auf einer Rednertribüne gesehen haben – er ist ein stockender, schlechter Redner – kein Feuer! Er verdankt seine Stellung lediglich seiner Frau. Mrs Masterton ist die treibende Kraft; sie allein hat Ehrgeiz, Initiative und politischen Scharfsinn.«
Poirot schauderte innerlich bei dem Gedanken, mit Mrs Masterton verheiratet zu sein, obwohl er ganz derselben Meinung war wie Miss Brewis.
»Ja, Sie haben Recht. Une femme formidable!«
»Sir George scheint keinen Ehrgeiz zu besitzen«, erklärte Miss Brewis. »Er begnügt sich damit, sich gelegentlich um seine Landwirtschaft zu kümmern und den Gutsherrn zu spielen und hin und wieder nach London zu fahren, um einer Aufsichtsratssitzung beizuwohnen. Aber mit seinen Fähigkeiten
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