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Wiedersehen mit Mrs. Oliver

Wiedersehen mit Mrs. Oliver

Titel: Wiedersehen mit Mrs. Oliver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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wäre, hätte man einen wundervollen Blick auf den Fluss bis nach Helmmouth hinunter gehabt. Poirots Gedanken wanderten von Helmmouth zur Jacht »Espérance« und zu Etienne de Sousa. Den gestrigen Ereignissen musste ein Plan zugrunde liegen, aber was für ein Plan es war, konnte er sich nicht vorstellen. Vorläufig sah er nichts als einen verschwommenen Umriss.
    Sein Blick fiel auf etwas Glitzerndes, und er bückte sich, um es aufzuheben. Es lag in einem kleinen Sprung des Betonfußbodens. Er hielt es in der Hand und betrachtete es; er hatte das Gefühl, den kleinen goldenen Anhänger – es war ein winziges Flugzeug – schon einmal gesehen zu haben. Plötzlich erinnerte er sich an ein Armband – ein Armband mit klimpernden goldenen Anhängern. Er saß wieder im Zelt, und die Stimme der Madame Suleika, im Privatleben Sally Legge, beschwor Vorstellungen von dunkelhaarigen Frauen, Reisen übers große Wasser und einem erfreulichen Brief. Ja, sie besaß ein Armband, an dem eine Menge kleiner goldener Anhänger hingen. Diese neueste Mode war in Poirots Jugend schon einmal le dernier cri gewesen. Deshalb hatte das Armband wahrscheinlich Eindruck auf ihn gemacht. Mrs Legge musste irgendwann hier im Folly gesessen und diesen Anhänger verloren haben. Vielleicht hatte sie den Verlust gar nicht bemerkt. Es mochte vor Wochen oder Tagen gewesen sein vielleicht aber auch erst gestern nachmittag …
    Poirot dachte noch über diese Möglichkeit nach, als er draußen Schritte hörte und gespannt aufblickte. Eine Gestalt erschien am Eingang des Folly und blieb bei Poirots Anblick erschrocken stehen. Poirot musterte den schlanken, blonden jungen Mann, der ein Hemd trug, das über und über mit Schildkröten aller Art bedruckt war. Dieses Hemd war unverwechselbar. Er hatte es gestern neugierig betrachtet, während sein Eigentümer Kokosnüsse warf.
    Es fiel ihm auf, dass der junge Mann fast übertrieben verstört zu sein schien. Er sagte schnell mit einem ausländischen Akzent:
    »Verzeihung … ich wusste nicht …«
    Poirot lächelte freundlich; aber dann bemerkte er in leicht vorwurfsvollem Ton: »Das Betreten dieser Besitzung ist verboten.«
    »Ich weiß, bitte entschuldigen Sie.«
    »Kommen Sie aus der Jugendherberge?«
    »Ja. Ich dachte, man könnte durch den Wald gehen, um den Weg zum Kai abzuschneiden.«
    »Ich muss Sie leider bitten, wieder zurückzugehen. Dieser Waldpfad ist ein Privatweg«, sagte Poirot sanft.
    Der junge Mann wiederholte mit einem breiten Lächeln:
    »Bitte vielmals um Entschuldigung.«
    Er verbeugte sich und ging fort.
    Poirot verließ das Folly ebenfalls, um dem jungen Mann vom Weg aus nachzublicken. Als er zum Ende des Pfades kam, drehte sich der Träger des Schildkrötenhemdes noch einmal schnell um. Dann, als er bemerkte, dass Poirot ihn beobachtete, beschleunigte er seine Schritte und verschwand um die Ecke.
    »Eh bien«, murmelte Poirot, »habe ich einen Mörder gesehen – oder nicht?«
    Der junge Mann war gestern beim Gartenfest gewesen und hatte ein unfreundliches Gesicht gemacht, als Poirot versehentlich mit ihm zusammengestoßen war; zweifellos wusste er, dass der Weg zur Fähre ein Privatweg war. Wenn er übrigens wirklich den Weg zur Fähre gesucht hätte, wäre er nicht bis zum Folly gekommen, sondern hätte den unteren Weg, näher beim Fluss, eingeschlagen. Statt dessen war er beim Folly mit der Miene eines Menschen angekommen, der ein bestimmtes Ziel erreicht hat und sehr erschrocken ist, die falsche Person anzutreffen.
    »Ja, das war es«, murmelte Poirot. »Er hatte sich verabredet … aber mit wem? Und warum?«
    Er schlenderte bis zur Wegbiegung und verfolgte den Pfad mit den Augen bis zu der Stelle, an der er sich in den Bäumen verlor. Der junge Mann im Schildkrötenhemd war nicht mehr zu sehen. Wahrscheinlich hatte er es für klüger gehalten, sich so schnell wie möglich zu verziehen. Poirot ging kopfschüttelnd zum Folly zurück.
    Als er über die Schwelle trat, blieb er erstaunt stehen. Sally Legge kniete auf dem Boden; ihr Kopf war über den Sprung im Beton gebeugt. Als sie ihn sah, sprang sie erschrocken auf. »Sie haben mich aber erschreckt, M. Poirot. Ich habe Sie nicht kommen hören.«
    »Suchen Sie etwas, Madame?«
    »Ich – nein – eigentlich nicht.«
    »Vielleicht haben Sie etwas verloren«, meinte Poirot, »oder es ist Ihnen etwas hingefallen, oder vielleicht …« Er spielte die Rolle des schelmischen Kavaliers »… oder vielleicht haben Sie ein Rendezvous, und ich

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