Wiedersehen mit Mrs. Oliver
erfahren, aber …«
Mrs Oliver schien das »Aber« nicht gehört zu haben.
»Eine sehr raffinierte Idee«, erklärte sie stolz. »Sie dürfen nicht vergessen, dass Marlenes Rucksack eigentlich der Rucksack der Jugoslawin sein sollte, und Sie werden verstehen …«
»Ja, ja«, murmelte Poirot, der sich damit abgefunden hatte, sich wieder einmal im Nebel zu verlieren.
»Also, im Rucksack befand sich die Medizinflasche mit dem Gift, mit dem der Gutsherr seine Frau umbringen sollte. Das jugoslawische Mädchen war nämlich nach England gekommen, um Krankenpflege zu erlernen, und sie war im Haus, als Major Blunt seine erste Frau um ihres Geldes willen vergiftete. Und sie, die Krankenpflegerin, hatte die Flasche gefunden und behalten und war nun zurückgekommen, um ihn zu erpressen. Deshalb hat er sie natürlich ermordet. Deckt sich das mit Ihren Ideen, M. Poirot?«
»Nein, keineswegs«, sagte Poirot, aber dann fuhr er schnell fort: »Darf ich Ihnen gleichwohl meine Bewunderung aussprechen, Madame? Ich bin davon überzeugt, dass Ihr Mörderjagdspiel so genial war, dass niemand den Preis gewinnen konnte.«
»Sie irren sich«, erwiderte Mrs Oliver. »Spät am Nachmittag, so gegen sieben, ist eine halb verrückte, aber unentwegte alte Dame, die alle Anhaltspunkte gefunden hatte, triumphierend beim Bootshaus angekommen, aber da war die Polizei natürlich schon da. Erst dann hörte sie von dem Mord – und sie muss der einzige Mensch auf dem Gartenfest gewesen sein, der noch nichts davon wusste. Jedenfalls hat sie den Preis bekommen.« Sie fügte befriedigt hinzu: »Dieser grässliche junge Mann mit den Sommersprossen, der behauptet hat, dass ich trinke, ist nicht weiter als bis zum Kameliengarten gelangt.«
»Später müssen Sie mir einmal den Verlauf Ihrer Geschichte in allen Einzelheiten erzählen«, schlug Poirot vor.
»Ich habe schon daran gedacht, sie für einen Roman zu verwenden. Es wäre ein Jammer, diese Idee nicht zu nutzen.«
Es mag an dieser Stelle erwähnt werden, dass Hercule Poirot drei Jahre später einen Roman von Ariadne Oliver las: »Die Frau im Walde«, und sich wunderte, warum ihm einige der Personen und der Ereignisse irgendwie bekannt vorkamen.
19
D ie Sonne ging unter, als Poirot zu der kleinen rosa Villa kam, die offiziell das »Mühlenhaus« genannt wurde. Er klopfte an die Tür, die daraufhin mit solcher Gewalt aufgerissen wurde, dass er erschrocken einen Schritt zurücktrat. Der ärgerlich aussehende junge Mann an der Tür sah ihn einen Augenblick an, ohne ihn zu erkennen, dann lachte er kurz auf.
»Hallo! Der Herr Detektiv persönlich. Treten Sie ein, M. Poirot. Ich bin gerade beim Packen.«
Poirot nahm die Einladung an und folgte dem jungen Mann ins Haus. Es war einfach und nicht sehr geschmackvoll möbliert, und im Augenblick nahm Alec Legges persönliches Eigentum den weitaus größten Teil des Raumes ein. Bücher, Papiere, Kleidungsstücke aller Art lagen auf dem Fußboden verstreut, und ein Koffer stand offen da.
»Endgültiger Abbruch der ménage«, erklärte Alec Legge. »Sally ist mir durchgegangen, wie Sie wohl schon gehört haben.«
»Nein, das war mir nicht bekannt.«
»Freut mich, dass es wenigstens gelegentlich Dinge gibt, die Ihnen nicht bekannt sind«, meinte Alec ironisch. »Ja, sie hat genug von mir gehabt und wird ihr Leben von jetzt an mit diesem läppischen Architekten verbringen.«
»Das tut mir aufrichtig Leid«, sagte Poirot.
»Ich sehe nicht ein, warum Ihnen das Leid tun sollte.«
Poirot räumte zwei Bücher und ein Hemd von der Sofaecke und setzte sich. Dann erklärte er: »Es tut mir Leid, weil ich glaube, dass sie mit ihm weniger glücklich sein wird als mit Ihnen.«
»Während der letzten sechs Monate ist sie mit mir nicht besonders glücklich gewesen.«
»Sechs Monate sind keine Ewigkeit«, meinte Poirot, »sondern nur eine kurze Zeitspanne einer Ehe, die unter Umständen lang und glücklich sein könnte.«
»Sie reden fast wie ein Pfarrer.«
»Möglich … darf ich noch hinzufügen, dass Sie selbst wahrscheinlich der Hauptschuldige am Unglück Ihrer Frau sind.«
»Davon ist sie jedenfalls fest überzeugt. Ich bin, wie immer, an allem schuld …«
»Nicht an allem, nur an einigem.«
»Schieben Sie mir ruhig die Schuld an allem zu. Vielleicht sollte ich mich am besten in den Fluss stürzen, dann wäre der Fall wenigstens erledigt.«
Poirot sah ihn nachdenklich an.
»Ich stelle mit Genugtuung fest, dass Sie im Augenblick mehr mit Ihren
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