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Wiener Requiem

Wiener Requiem

Titel: Wiener Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Jones
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Ein Schmerz zuckte durch Werthens rechtes Knie, aber er versuchte trotzdem, sich aufzurichten.
    Im matten Licht sah er, wie die Klinge aufblitzte, die Blauer aus seinem Stiefel gezogen hatte. Noch im Liegen schwang der Inspizient den Dolch, aber er traf nur den Metallträger. Funken sprühten auf. Werthen riss sich sein Jackett vom Leib und wickelte es hastig um seinen rechten Arm, während Blauer langsam auf die Füße kam und ihn umkreiste. Dabei kam er immer näher. Schließlich täuschte Blauer einen Angriff auf der linken Seite an und stieß rechts zu, aber Werthen hatte sich bereits mit einem Satz nach hinten aus seiner Reichweite gebracht.
    Weiter kam er jedoch nicht, weil ein eiserner Stützpfeiler seine Fluchtmöglichkeit blockierte. Auf Blauers Gesicht zeigte sich ein wahrhaft irres Lächeln.
    »Jetzt sind Sie erledigt, Advokat.«
    Er wollte sich gerade auf Werthen stürzen, als er heftig mit dem Kopf zuckte und ihn mit weit aufgerissenen, fassungslosen Augen anstarrte. Im nächsten Moment brach er zusammen.
    Wo eben noch Blauer gestanden hatte, sah Werthen jetzt die Gestalt von Berthe. Mit der rechten Hand umklammerte sie einen ihrer hochhackigen Abendschuhe, dessen langer spitzer Absatz durch den heftigen Schlag auf Blauers Schädel abgebrochen war.
    »Berthe …« Werthen nahm sie einen kurzen Moment fest in die Arme.
    »Dafür haben wir jetzt keine Zeit!«, protestierte sie und befreite sich aus seiner Umarmung.
    »Wie konntest du das mit Blauer wissen?«, erkundigte er sich.
    »Das muss auch bis später warten!«, erwiderte Berthe ungeduldig. »Viel wichtiger ist die Antwort auf die Frage: Was hatte er geplant?«
    Im Handumdrehen hatte Werthen den ohnmächtigen Blauer mit den ledernen Schnürsenkeln seiner eigenen Stiefel gefesselt. Dann überzeugte er sich, dass der Mann keine weiteren Waffen bei sich trug.
    Und erst jetzt entdeckte er die beiden Drähte, die aus einem ledernen Beutel herausragten. Der eine führte zur unteren Seite der Drehbühne und war dort mit einem Drahtstift befestigt, der zweite klemmte an dem unbeweglichen Teil des Bühnenbodens. Die Enden der beiden Drähte waren durch ein drittes Stückchen Draht miteinander verbunden.
    Werthen öffnete den Beutel und entdeckte zehn Stangen Dynamit, die professionell um eine Trockenbatterie gebunden waren. Die Batterie ihrerseits war mit Hilfe zweier Drähte mit einem bleistiftschmalen Sprengzünder verbunden. Von diesem Sprengzünder führten einige Drähte zu einer schmalen Box. Da sich Werthen in seiner Jugend ein wenig dem Studium der Elektrizität gewidmet hatte, erkannte er in dieser Box sofort ein Relais. An der anderen Seite des Relais waren die beiden von der Decke herunterhängenden Drähte befestigt, die Werthen zuerst entdeckt hatte.
    Berthe hatte sich über ihn gebeugt und seufzte leise auf.
    »Du musst hier raus!«, sagte er, als er langsam aufstand und sich zu ihr umdrehte. »Beeil dich und informiere die Leute da oben, dass hier gleich eine Bombe hochgeht.«
    Das Vorspiel war beendet. Man hörte, wie oben nun der Gesang einsetzte. Plötzlich knirschte das Getriebe der Drehbühne. Sie würde sich gleich in Gang setzen. Berthe und Werthen konnten sich sehr genau ausmalen, was dann passierte. Blauer hatte die primitive Bombe genau so präpariert, dass sie durch die Bewegung der Drehbühne hochgehen würde. Das kleine Stückchen Draht, das die beiden oberen Enden der anderen Drähte miteinander verband, würde sich zunächst ein wenig dehnen und dann, sobald die Bühne sich weiter drehte, unweigerlich reißen. Es war die gleiche einfache Technik, mit der auch Alarmanlagen arbeiteten. Sobald der obere Stromkreis unterbrochen würde, würde das Relais anspringen und den anderen Stromkreis mit dem Sprengsatz schließen, es würde Strom einfließen und eine kleine Explosion auslösen. Die wiederum das Dynamit hochjagte. Es war ein eiskalter und erschreckend logischer Plan.
    »Lauf los!«, drängte Werthen sie. »Sofort!«
    »Dafür bleibt keine Zeit«, antwortete sie.
    Sie hatte recht, es blieb nicht einmal mehr die Zeit, den Hebel oben auf der Bühne zu erreichen, um die Drehbühne zu stoppen. Und Blauer war noch immer ohnmächtig, von ihm war keine Hilfe zu erwarten.
    Werthen wusste, dass er die oberen Drähte nicht einfach abreißen konnte, weil die Bombe dann sofort explodieren würde. Ebenso unmöglich war es, den Sprengsatz und die Batterie von dem Dynamit abzutrennen. Blauer hatte sie so fest zusammengebunden, dass sie

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