Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wiener Requiem

Wiener Requiem

Titel: Wiener Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Jones
Vom Netzwerk:
diese charmante junge Dame?«
    Werthen bemerkte bei Mahlers Bemerkung die missbilligenden Blicke der beiden anderen Frauen. Er stellte Berthe vor und wurde seinerseits mit der Geigerin Natalie Bauer-Lechner, einer alten Freundin der Familie, bekannt gemacht.Eine Freundin Mahlers noch aus seiner Zeit als armer Musikstudent in Wien.
    Mahler verzichtete auf höfliche Floskeln. Er kam sofort zur Sache. »Nun, meine Damen, Sie werden entschuldigen, aber Herr Werthen und ich möchten bei einer geschäftlichen Unterredung ungestört sein.«
    Seine Schwester und Frau Bauer-Lechner schienen immun gegen Mahlers schroffes Benehmen, hatten gewiss schon früher darunter gelitten und es vielleicht selbst lange als ein Zeichen seines künstlerischen Genies unterstützt. Berthe dagegen empfand Widerwillen bei dieser Bemerkung, sagte jedoch nichts, sondern folgte den anderen Frauen zu einer Tasse Tee in die Küche.
    Mahler wartete, bis sich die Doppeltüren hinter ihnen geschlossen hatten, und ließ einen Seufzer der Erleichterung hören.
    »Ein Mann muss einfach auch mal allein sein.«
    Werthen lächelte bei dieser Bemerkung, hatte er doch gelegentlich durchaus ähnlich empfunden.
    »Setzen Sie sich!« Mahler zeigte mit seinem gesunden Arm auf einen Sessel in seiner Nähe. »Aus Ihrem besorgten Verhalten schließe ich, dass Sie in diesem neuen Fiasko einen weiteren Anschlag auf mein Leben sehen.«
    »Dieser Gedanken ist mir in der Tat gekommen.«
    »Das ist natürlich Unsinn. Aber nicht uninteressant. Ich denke, Sie beschäftigen sich mit Musikgeschichte?«
    »Gewissermaßen.«
    »Sie erinnern sicher die traurigen Ereignisse von 1870? Ich kam erst fünf Jahre später an das hiesige Konservatorium, aber selbst in dem Provinznest Iglau, in dem ich aufgewachsen bin,hörten wir von der Tragödie, die Josef Strauß, dem talentierten Bruder von Johann und Eduard, widerfahren war.«
    Werthen fiel nun ebenfalls der Vorfall wieder ein. Strauß war während einer Konzertreise durch Polen vom Pult gestürzt und kurz danach verstorben. Der Tod gab einige Rätsel auf, denn die Witwe erlaubte keine Autopsie. Es war nicht bekannt, ob der Komponist durch die Verletzung starb, die er sich durch den Sturz zugezogen hatte, oder ob vorangegangene Verletzungen oder möglicherweise eine Krankheit die Ursache gewesen waren.
    »Sie wollen doch diese beiden Fälle nicht vergleichen?«, wandte Werthen ein. »Es gab keinerlei Hinweise, dass im Fall von Strauß das Pult defekt war.«
    »Ist dies denn hier so?«, antwortete Mahler. »Es ist bekannt, dass ich an Gleichgewichtsstörungen leide. Wenn ich zuweilen auf einem Berggipfel stehe, vergesse ich mich selbst häufig völlig vor Begeisterung über die Landschaft.«
    »Sie wollen sagen, dass Sie vielleicht einfach vom Pult gestürzt sind? So war es aber nicht; es ist unter Ihnen zusammengebrochen.«
    »Gerade dirigierte ich noch Wagner, im nächsten Moment lag ich schon auf dem Rücken im Orchestergraben und bestaunte die weiß glänzenden Schienbeine von Arnold Rosé, meinem Ersten Geiger, der sich über mich bückte und dessen Hosen über den Knöchel hinaufrutschten.«
    »Er war als Erster bei Ihnen?«
    »Werthen, also wirklich, ich bitte Sie. Dieser Mann hofft, mein Schwager zu werden. Sollte er mich ermorden, würde er sich damit wohl kaum einen warmen Platz im Herzen meiner Schwester erobern.«
    Werthen spürte, wie angesichts der unbekümmerten Reaktion Mahlers auf diesen letzten Zwischenfall der Ärger in ihm hochstieg.
    »Es gibt tatsächlich eine lange Reihe von merkwürdigen Todesfällen in der Musikgeschichte, wobei keiner notwendigerweise auf eine ruchlose Verschwörung zurückzuführen ist«, fuhr der Musiker jetzt fort. »Nehmen Sie zum Beispiel den unglücklichen Jean Baptiste Lully. Sie denken, dass mein Fall vom Podium fatal gewesen sei? Monsieur Lully dirigierte nach der französischen Art seiner Zeit mit einem langen Stab von der Seitenbühne aus. Eines Abends spießte er beim Dirigieren den eigenen Fuß auf und starb kurz danach an Wundbrand.«
    Mahler lachte in sich hinein.
    Plötzlich hatte Werthen genug. »Das Pult ist verschwunden. Das ist eines der Probleme.«
    Mahlers Belustigung über seine Geschichte verebbte. »Das Pult ist verschwunden?«
    »Der Inspizient sagte, dass es inzwischen nur noch Holzspäne wären, also gibt es keine Möglichkeit, herauszufinden, ob sich jemand daran zu schaffen gemacht hat.«
    Mahler dachte einen Moment darüber nach. »Sie sagten, dies sei
eines der

Weitere Kostenlose Bücher