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Wiener Requiem

Wiener Requiem

Titel: Wiener Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Jones
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Zeit auch privaten Nachforschungen«, sagte er. »Fräu lein Schindler befürchtet, dass Ihnen keineswegs zufällig etwas zugestoßen ist. Also habe ich mich entschlossen, sie zu begleiten. Und ich versichere Ihnen, dass ich keinerlei Neigung zum Melodrama habe.«
    »Sie reden wie ein Anwalt«, sagte Zemlinsky abfällig. »Trifft das zu?«
    »Schuldig«, erwiderte Werthen humorvoll.
    Der Anflug eines Lächelns zuckte über Zemlinskys dünne Lippen.
    »Na wunderbar«, jammerte Schönberg. »Jetzt sind schon Juristen involviert. Aber Sie mussten sich ja unbedingt einmischen.«
    Seine Worte waren an Alma Schindler gerichtet, sie aber ging über die Bemerkung hinweg und kniete stattdessen vor dem Bett nieder. Sie packte die Hand des Komponisten und küsste sie.
    »Bitte vergeben Sie mir, Zem.«
    Totenstille herrschte im Raum. Selbst dem lebhaften Schönberg hatte es die Sprache verschlagen.
    Schließlich brach Zemlinsky den Bann allgemeiner Verlegenheit.
    »Unsinn, Mädchen. Kommen Sie hoch, nun stehen Sie schon auf. Es gibt nichts zu entschuldigen. Eine ordentliche Zigarre wird mir wieder auf die Beine helfen.«
    In Werthens Kopf hämmerte es noch von dem Angriff auf ihn, und er bezweifelte, dass die Bemerkung ernst gemeint war. Allerdings bewunderte er den Komponisten für seine draufgängerische Haltung.
    Alma gehorchte und stand auf. Dann sah sie die anderen hochmütig an.
    »Es gibt wirklich keinen Grund, dass Sie Ihre Zeit hier verschwenden, Herr Advokat«, fuhr der Komponist fort. »Wie Schönberg schon sagte, solche Unfälle passieren im Theater nun einmal. Ich lehne mich häufig auf dem Pult zurück, das ist im Großen und Ganzen alles. Das Geländer ist nicht ausgelegt, das Gewicht eines Mannes zu halten, sondern soll lediglich den Raum begrenzen. Das sagte zumindest der Inspizient.«
    »Sie wollen also sagen, dass Sie vom Dirigentenpult gefallen sind?«
    Zemlinsky schloss die Augen, er schien jetzt fast peinlich berührt.
    »Ja«, entgegnete er mit geschwächter Stimme.
    Alma Schindler warf Werthen einen bedeutungsvollen Blick zu, als wollte sie ihn an Mahlers Sturz von dessen Dirigentenpult erinnern.
    »Es ist jetzt an der Zeit«, sagte Schönberg, »dass alle Besucher dies Zimmer verlassen. Alex braucht Ruhe. Ich bestehe darauf.«
    Er spreizte die dicken Arme wie ein Hirte, der seine Schäfchen zusammentreibt.
    Da Zemlinsky keine Einwände vorbrachte, wollte Werthen nicht länger stören. Alma jedoch dachte anders darüber.
    »Wer hat Sie denn zum Majordomus ernannt, Herr Schönberg? Das steht ausschließlich Zem und seiner Schwester, Fräulein Zemlinsky zu …«
    Alma Schindler war offensichtlich eine schlechte Beobachterin menschlicher Beziehungen, sowie sie außerhalb ihrer eigenen Bedürfnisse lagen. Sie hatte die Verbindung zwischenMathilde und Schönberg nicht zur Kenntnis genommen, und angesichts ihrer verletzenden Bemerkung sprang die Schwester ihrem Freund bei.
    »Ich glaube wirklich, Fräulein Schindler, es ist jetzt besser, wenn Sie gehen. Es könnten sonst Wahrheiten ausgesprochen werden, die Sie nicht besonders gerne hören.«
    Trotzig straffte Alma die Schultern. Bevor Werthen eingreifen konnte, hatte sie bereits ihre Frage ausgesprochen.
    »Als da wären?«
    »Zum Beispiel, wie jämmerlich Ihre Versuche zu komponieren sind. Sie sind langweilig und zweitklassig«, sagte Schönberg. »Und das ist keineswegs nur meine Meinung.«
    Almas Blick zuckte zu Zemlinsky.
    »Das also denken Sie darüber?« Es brach fast aus ihr heraus. »Das haben Sie zu denen da gesagt? Nach allem, was wir uns bedeutet haben? Und nach allem, was ich Ihretwegen von meiner Familie erdulden musste?«
    Mein Gott, dachte Werthen. Wie konnte man nur so unverschämt sein! Hier lag ein verletzter Mann, und sie kümmerte sich nur um ihre eigenen gekränkten Gefühle! Waren sie tatsächlich ein Liebespaar gewesen? Die schöne Alma Schindler und dieser Gnom?
    »Es ist jetzt wirklich Zeit, dass Sie gehen«, erklärte Fräulein Guttmann. Sie klang überraschend beherrscht.
    Aber Werthen bemerkte, wie viel Mühe es sie kostete, ihrer Rivalin gegenüber diese Zurückhaltung an den Tag zu legen. Viel lieber hätte sie Alma die Augen ausgekratzt.
    »Kommen Sie«, sagte Werthen zu Fräulein Schindler. »Das hier hat keinen Sinn.«
    Er ergriff ihren Arm, sie aber schüttelte seine Hand abund ging allein zur Tür. Dort drehte sie sich noch einmal herum.
    »Das ist mal wieder typisch!« Sie spie die Worte förmlich aus. »Sie halten doch alle

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