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Wiener Schweigen

Wiener Schweigen

Titel: Wiener Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Strohschein
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»Rb« für Rubidium und »Eu« für Europium stand. Sie ließ sich ihre »Hast du gewusst?«-Fragen auf der Zunge zergehen.
    »Hast du gewusst, dass Europium neben Americium das einzige nach einem Erdteil benannte Element ist?«
    Rosa schüttelte energisch den Kopf und suchte im Netz nach möglichen sinnvollen Zusammensetzungen der fünf Elemente, die Paul zu ihrem Namen zusammengestellt hatte. Würde sie so eine chemische Zusammensetzung finden, war es jedoch nicht sicher, ob » R (b). O.S.A (l). E (u)« wirklich ein Hinweis für sie war.
    »Und hast du gewusst, das Rubidium ein Alkalimetall ist, das sich bei Luftzutritt spontan entzündet?«
    Rosa knurrte: »Und hast   du   gewusst, dass du einer spontanen Entzündung meinerseits gefährlich nahe bist? Vielleicht kannst du mir auch gleich sagen, was man aus Rubidium, Sauerstoff, Schwefel, Aluminium und Europium herstellen kann und was »Gen. 16,1; Infer.« bedeutet?«
    Johanna sah Rosa besorgt an. »Schätzchen, es tut mir leid. Du bist dermaßen angespannt in letzter Zeit, und das verstehe ich auch, ich wollte die Situation nur etwas auflockern. Vielleicht solltest du Schurrauer fragen, er kennt sich ja anscheinend fast überall aus.«
    Rosa seufzte und stand auf. »Das hab ich mir auch schon gedacht, aber er wird wahrscheinlich wissen wollen, warum ich danach frage. Ich kann es ihm aber nicht sagen, weil ich ihn nicht über meinen Besuch bei der Bakk Pharm  AG   informiert habe.«
    »Dann sag es ihm jetzt.«
    »Das werde ich beizeiten schon tun.«
    Sie beschlossen, die sinnlose Suche sein zu lassen, und setzten sich mit zwei eisbeschlagenen Gläsern Holundersaft in den Schatten des großblättrigen Efeus auf Rosas Terrasse. Die Luft stand in der heißen Spätnachmittagssonne flimmernd über den Hügeln.
    Rosas Katze begrüßte sie, indem sie sich an ihrem Bein aufrichtete. Die Krallen waren ausgefahren, aber sie war so vorsichtig, dass Rosa nur leichte Stiche an ihrer Wade spürte.
    »Dieser Mühlböck«, setzte Johanna an, »glaubst du, dass der Dreck am Stecken hat?«
    »Das muss nicht sein. Er war sehr kooperativ. Ist ja klar, dass er mir nicht viel über die Pläne von der Bakk Pharm  AG   sagen kann.«
    Rosa nahm die Katze in die Arme und legte sie auf dem Rücken in ihre Armbeuge. Das Tier begann leise zu schnurren und streckte eine Vorderpfote mit gespreizten Zehen aus. Rosa konnte die hellrosa Ballen sehen und drückte mit dem Daumen sanft dagegen, worauf die Katze die Zehen noch genussvoller spreizte und mit ihnen vorsichtig Rosas Wange berührte. Jedes Mal war Rosa erstaunt, wie zart eine Katzenpfote war und wie unbarmherzig sie sich bei der Jagd in das Fleisch der Beute bohren konnte.
    Johanna lehnte sich zurück, legte den Kopf schief und grinste. »Und, wie ist er denn sonst so, dieser Herr Müüühlböck?«
    Rosa überlegte kurz und meinte dann: »Wie eine Katze.«
    Als Johanna gegangen war, spürte Rosa ihre Unruhe mehr als zuvor. Neben der Entdeckung in der Bakk Pharm  AG   gingen ihr der seltsame Zettel, den sie im Brustkreuz gefunden hatten, und Andrzejs Ikone nicht aus dem Kopf. Sie griff zum Telefon und rief ein paar Kollegen und Freunde, die in Auktionshäusern arbeiteten, an und fragte, ob zurzeit vermehrt sakrale Kunstgegenstände aus dem Osten auf Auktionen, Messen oder im Handel angeboten würden. Viele wussten nichts, ein paar versprachen, nachzufragen und sich zu melden.
    Rosa machte sich an die Zubereitung des Vitello tonnato für das Sommerfest. Nachdem sie aus ihrem Garten Knoblauch und frische Kräuter geholt hatte, stieg sie in den Keller und wählte bedächtig zwei große Karotten, eine gelbe Rübe und einen Knollensellerie aus. In der Küche stellte sie aus diesen Zutaten Aigo boulido, eine provenzalische Kräutersuppe, in einem großen Topf zu.
    Während sie Kapern und Essiggurken hackte, gingen ihr Pauls Aufzeichnungen erneut durch den Kopf. Sie hatte sie wie ein gemaltes Bild vor Augen; die roten Buchstaben leuchteten auf, und sie konnte ihren Namen lesen. Sie überlegte, ob sie nicht einen Chemiker kannte, dem sie vertrauen und den sie fragen konnte, ob die Aufzeichnungen für ihn einen Sinn ergaben. Ihr fielen zwar zwei Freunde von Paul ein, zu denen hatte sie aber seit seinem Tod keinen Kontakt mehr gehabt. Sie verwarf die Idee, da sie nicht sicher war, ob die beiden nicht auch für die Bakk Pharm  AG   gearbeitet hatten oder es noch immer taten. Rosa wollte auf keinen Fall, dass die Pharmafirma etwas von ihrer

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