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Wiener Schweigen

Wiener Schweigen

Titel: Wiener Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Strohschein
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Sommerhemd direkt neben ihren Sachen saß. Rosa kniff die Augen zusammen, konnte jedoch nicht erkennen, um wen es sich handelte.
    Verdammt, jetzt brauch ich bald eine Brille, dachte sie und ließ sich auf dem Rücken liegend treiben, da ihr die Luft vor Anstrengung wegblieb.
    Nach ein paar Metern drehte sie sich wieder in die Bauchlage und schwamm auf den Steg zu. Daniel Mühlböck saß bei Rosas Sachen und ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen.
    »Was für ein   unglaublicher   Zufall«, meinte Rosa zynisch, stieg aus dem Wasser und griff nach ihrem Handtuch.
    Mühlböck lächelte. »Ich habe auf dem Weg zum See einen alten Mann mit einem Schrotgewehr gesehen. Er hat wie ein Irrer in die Büsche geballert. Eigenartige Sitten haben Sie hier.«
    »Das war Herr Steinschaden. Er jagt wilde Kaninchen, die jeden Sommer erbarmungslos das Gemüse in seinem Garten auffressen.«
    »Aber deswegen muss er sie doch nicht gleich mit einer Schrotflinte abknallen, oder?«
    »Wer einen Weltkrieg erlebt hat, lässt sich ungern von einem domestizierten Nagetier verarschen«, meinte Rosa, trocknete sich ab und legte sich, mit großem Abstand zu Mühlböck, auf den Steg.
    »Ach, kommen Sie«, meinte er versöhnlich. »Ich bin zufällig vorbeigefahren und dachte mir, ich kann Sie vielleicht auf ein Abendessen einladen.«
    »Ich warne Sie, ich kann Unmengen verdrücken.« Rosa fiel auf, dass sich ihr Herzschlag nicht wie sonst, wenn sie nach dem Schwimmen etwas auf dem Steg lag, beruhigte.
    »Das Risiko würde ich eingehen.«
    »Tut mir leid, ich habe heute etwas anderes vor«, sagte sie knapp, setzte sich auf und nestelte sich das Handtuch um ihren Körper.
    Mühlböck schien enttäuscht. »Schade, was mach ich jetzt bloß mit meinen Karten für das Galadiner in der Albertina zur Ausstellungseröffnung von ›Das Zeitalter Rembrandts‹?«
    Rosa schluckte, sie wäre gern in die Albertina gegangen. Ein Galadiner bot Gelegenheit, die Kunstwerke ungestörter zu betrachten als zu den gewöhnlichen Öffnungszeiten, wenn sich regelrechte Menschenmassen an den Bildern vorbeischoben. Ihr war die Wiener Society, die sich zu solchen Gelegenheiten einfand, jedoch zuwider. »So einen fetten Köder werfen Sie aus? Ich bin beeindruckt, aber es geht nicht.«
    »Verdammt«, murmelte er so laut, dass sie es hören konnte, und es blieb einen Moment lang still. »Sie haben gestern ziemlich fertig ausgesehen, als Sie von uns weggefahren sind, das ist mir nicht aus dem Kopf gegangen.«
    Rosa versuchte, so unbefangen wie möglich zu wirken.
    »Ich habe Paul Dearing nicht persönlich gekannt. Die Bakk Pharm  AG   hat dreitausend Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Ihr Freund soll ein ausgezeichneter Wissenschaftler und ein sehr angenehmer Kollege gewesen sein. Vielleicht hilft es Ihnen, wenn ich Ihnen sage, dass uns sein Tod trotz der Größe der Firma und der dadurch herrschenden Anonymität schwer erschüttert hat.«
    Rosa nickte. Es überraschte sie, dass sie jetzt nicht über Paul reden wollte.
    »Ist Ihnen in der Zwischenzeit vielleicht doch noch irgendetwas bezüglich der Unterlagen von Herrn Dearing eingefallen?«
    Sie schüttelte langsam den Kopf. Im Sonnenlicht stellte sie fest, dass Mühlböcks Haare von Natur so dunkel und nicht gefärbt waren.
    Er sah sie gewinnend an. »Vielleicht haben Sie ja etwas bemerkt, das uns entgangen ist, und wir könnten gemeinsam noch mehr Informationen beschaffen?«
    Als sie nicht antwortete, drehte er sich um und sah zum Ufer. Rosa bewunderte seine dunkelblauen Augen, so eine Farbe hatte sie noch nie gesehen.
    »Sagen Sie, ist das ein Marder, da unter meinem Auto?«
    Sie antwortete, ohne sich umzudrehen. »Marder sind dämmerungs- oder nachtaktiv. Also keine Angst, was immer unter Ihrem Auto sitzt, beißt Ihnen nicht die Kabel durch.«
    Er zuckte die Schultern. »Ich habe eine Marderfalle, leider falsch gepolt. Diese Nagetiere lieben das Geräusch. Wenn sie anschlägt, ist mein Auto schlagartig mit ihnen überzogen. Ich kann sie wie Trauben herunterpflücken.«
    Rosa lachte.
    Mühlböck stand auf und klopfte sich auf den Hintern, um seine Hose zu säubern. »Gehen wir ein anderes Mal essen?«
    » Ich   suche das Restaurant aus.«
    Er nickte sie lächelnd an. Ihr Herz machte einen Satz.
    Das Museum des 19. Bezirks befand sich in einem Nebenbau der Villa Wertheimstein, dem sogenannten Nonnenstöckl, auf der Döblinger Hauptstraße 96. Rosa parkte ihren Wagen im kleinen Innenhof und ließ ihren Blick in den Park

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