Wienerherz - Kriminalroman
Selbstdarstellung naturgemäß nicht auftauchten.
Da hatte er sich etwas vorgenommen.
Bei den Komeskas war es schwieriger. Die Daten aus den Geburtsregistern waren verloren gegangen. Nur Rudolf Komeskas Mutter, Magda (1910–1991), konnte er eruieren. Rudolf war ihr einziges Kind geblieben. So stand es auch in diversen Lebensläufen (»von der alleinstehenden Mutter« … »Arbeiterfamilie« … »entbehrungsreiche, trotzdem glückliche Kindheit« …). Er trug den Namen der Mutter. Nach dem Vater fahndete Freund vergeblich. War hier eine Verbindung zu den Dorins zu finden? Diese konnte natürlich auch über die mütterliche Seite zustande gekommen sein. Vielleicht hatte ja eine der Dorin’schen Gattinnen einen Bruder gehabt, der zufällig Komeskas Vater war. Oder Komeskas Mutter selbst war auf Umwegen mit den Dorin’schen oder einer ihrer Ehefrauen verwandt. Mangels Unterlagen zur Familie Komeska konnte er nichts nachvollziehen. Er würde bei den Familien direkt nachfragen müssen.
Der Polizeipräsident erwartete Freund mit ernstem Gesicht.
»Setzen Sie sich.«
Durch eine zweite Tür traten eine Frau und ein Mann, Kostüm, Anzug. Sie nahmen neben Freund Platz.
»Ich will gar nicht lange herumreden«, begann der Pepe. »Uns sind Anschuldigungen gegen Sie vorgetragen worden, Sie hätten Spesen falsch abgerechnet und in gewissen Etablissements Leistungen gratis in Anspruch genommen.«
Freund spürte seinen Magen zwischen seine Beine plumpsen und zurück gegen den Hals schnellen. Er wusste, dass er sich nichts vorzuwerfen hatte. Mit seinen Ermittlungen gegen Dorin musste er eine Höllenmaschine in Bewegung gesetzt haben. Die ihn jetzt in die Mangel nahm.
»Sie können sich vorstellen, von welcher Abteilung die Dame und der Herr neben Ihnen sind. Ich sage ganz ehrlich, ich glaube kein Wort davon, aber Sie verstehen, dass wir der Sache nachgehen müssen.«
»Das ist doch kein Zufall, dass so etwas genau jetzt kommt«, erwiderte Freund, um Beherrschung bemüht. »Wer das behauptet, verraten Sie mir natürlich nicht.«
»Sie wissen, dass ich das nicht darf.«
Freund hatte einen sehr konkreten Verdacht. »Was man alles findet, wenn man in der Vergangenheit anderer herumstierlt«, hatte Thaler erklärt. Nur gab es bei Freund nichts zu finden. Also hatte jemand etwas erfunden.
»Um welche Spesen und welche Etablissements handelt es sich?«
»Ein Seminar in Bonn vergangenes Frühjahr, ein Interpoltreffen in London letztes Jahr. Das Lokal ist das Ran d’Or.«
Eine Rotlichtbar hinter dem Westbahnhof.
»Fabelhaft. Die Spesenabrechnungen sind korrekt, das wird sich ganz schnell aus der Welt räumen lassen. Und das Ran d’Or habe ich in meinem Leben noch nicht betreten.« Er wandte sich an seine Nachbarn. »Ich arbeite selbstverständlich gern mit Ihnen zusammen.«
»Sie dürfen keinen Fehler machen«, erklärte der Pepe. »Die kleinste Kleinigkeit, und ich muss Sie suspendieren.«
Nacheinander verließen sie das Büro. Ein paar Minuten später besuchte Freund die beiden Beamten von der Internen Ermittlung in deren Räumlichkeiten.
»Es tut uns leid«, sagte die Frau. »Aber Sie wissen, wie das ist.«
Diesen Satz hörte er mittlerweile zu oft.
»Bis jetzt nicht.«
So fühlte sich das also an. Verdächtiger.
Eine halbe Stunde fragten sie ihn zu Daten und Terminen, in denen er im Ran d’Or angeblich gesehen worden war. Für die meisten konnte er sofort ein Alibi liefern, bei einigen musste er seine Vernehmer vertrösten. Als er sie verließ, beschloss er, die Angelegenheit vorerst für sich zu behalten. Mit kochendem Magen machte er sich auf den Weg zu den Komeskas.
Die Tür öffnete ihm Rudolf Komeska. Neben ihm stand seine Frau mit besorgtem Gesicht.
»Haben Sie Emil gefunden?«
»Leider noch nicht.«
»Wir haben eine Vermisstenanzeige aufgegeben.«
»Ich weiß.«
»Kommen Sie herein.«
Sie führten Freund ins Wohnzimmer.
Hildegard Komeska servierte Kaffee.
»Was gibt es dann Neues, das Sie mit uns besprechen wollten?«, fragte Rudolf Komeska.
»Es mag unter diesen Umständen seltsam klingen. Aber ich habe eine Frage zu einem ganz anderen Thema. Ob es mit der Suche nach Ihrem Sohn zu tun hat, weiß ich noch nicht.«
»Worum geht es?«
»Ich habe mir erlaubt, ein wenig Ihre Vita zu studieren«, tastete Freund sich voran. »Dabei habe ich erfahren, dass Sie ohne Vater aufgewachsen sind.«
»Das stimmt. Meinen Vater habe ich nie kennengelernt. Er starb im Februaraufstand 1934.«
Er lächelte
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