Wienerherz - Kriminalroman
greifen denn Sie?«
Diswanger lachte, dass es den ganzen Schrankkörper schüttelte.
»Herr Chefinspektor, wir sind in Österreich! Ich rede mit ein paar Freunden, und die Sache ist erledigt.«
»In diesem Fall hat das Reden aber nichts gefruchtet.«
»Ich wusste nichts von den zwei Journalisten …«
Was wahrscheinlich kaltblütig gelogen war, dachte Freund.
»… Worüber sollte ich also reden? Und selbst wenn ich etwas gewusst hätte, wozu darüber sprechen? Haben die Herrschaften etwas in der Hand? Dann auf den Tisch damit. Andernfalls sind das doch nur Schmutzkübelkampagnen erfolgsneidiger Schreiberlinge.«
Über Briedlach war also noch nicht bis zu ihm gedrungen, dass Peloq und Niklic tatsächlich erste Beweise besaßen.
»Es existieren Belege für Geldflüsse zwischen Ihrem Konsortium und bulgarischen Offiziellen.«
»Na und? Meine Herren«, sagte er wie ein Lehrer, der einen verständnislosen Schüler vor sich hatte, »natürlich gab es Geldflüsse, was glauben denn Sie? Man muss doch Zugang zu den Verantwortlichen gewinnen.«
»Aber nicht mit Geld.«
Wieder dieses Lachen, das den ganzen Körper beben ließ. »Womit denn sonst? Mit schönen Worten? Mein Lieber, so funktionieren die Menschen, auf der ganzen Welt.«
»Die Korruptionsstaatsanwaltschaft wird das anders sehen.«
Freund hoffte, ihm damit ein Signal zu senden, dass weitere gewaltsame Maßnahmen gegen eine Aufklärung sinnlos waren und er das seinen ehemaligen Geschäftspartnern in Frankreich und Bulgarien mitteilen sollte, denen Freund eine handfeste Aktion wie den Anschlag auf Niklic und Peloq tatsächlich eher zutraute.
»Papperlapapp! Wir haben Geld in Beratungsleistungen investiert. Und es war gut angelegt, wie man sieht. Schließlich haben wir die Temvolt bekommen.«
Freund war einigermaßen perplex über diese völlige Abwesenheit jeglichen Unrechtsbewusstseins. Diswanger versuchte nicht einmal ernsthaft, etwas zu leugnen. Er war schlicht überzeugt, nichts Falsches getan zu haben. Wenn es für einen Menschen wie ihn überhaupt einen Unterschied zwischen richtig und falsch gab und nicht bloß zwischen nützlich und nutzlos. Am meisten beunruhigte Freund dabei, dass ihn Diswangers Haltung nicht vorbehaltlos abstieß, sondern bis zu einem gewissen Grad faszinierte, auch wenn der Reiz eher mit dem zu vergleichen war, der von einem besonders hässlichen Tier ausging.
In dieser Manier setzte sich das Gespräch fort. Diswanger bedauerte Fritz Billings Tod (»Herzinfarkt, in dem Alter! Eine Tragödie!«) ebenso wie jenen Florian Dorins (»Ich verstehe das nicht. Der war ein lustiger Kerl.«), bis Freund genug von den Welterklärungen des Mannes hatte.
»Ihr Großvater verlor sein Bankhaus an Alfred Dorin«, sagte Freund unvermittelt.
Amüsiert winkte Diswanger ab. »Das meinen Sie jetzt aber nicht ernst? Banken kommen und gehen. Zu dieser Zeit sind viele draufgegangen. Dafür hat der Alte andere gute Geschäfte gemacht.«
Freund verzichtete darauf, das Thema weiterzuverfolgen. Die Konstruktion von Vergeltungsaktionen der Enkelgeneration war ohnehin sehr weit hergeholt. Weitere Andeutungen hätte Diswanger mit einem Hohn abgetan, auf den Freund verzichten konnte.
»Unfassbar«, stellte Wagner auf dem Rückweg fest. »Ich kam mir vor wie von einem anderen Planeten. Dieser Mann und wir verwenden dieselben Wörter, sprechen aber komplett verschiedene Sprachen. Ich glaube, der hat oft gar nicht verstanden, wo unser Problem liegt. Beziehungsweise warum wir überhaupt eines haben.«
»Vielleicht macht es ihm eines Tages ein Richter verständlich.«
Das Gespräch hatte ihnen nichts gebracht, außer Einblicken in die Denkweise mancher Leute. Auch das war Polizeiarbeit.
Den restlichen Tag verbrachte Freund mit den anderen zwischen den Papieren im Büro, immer wieder in Gedanken versunken über Diswangers Universum, bis es Zeit für einen Besuch bei seinem Vater war.
Du siehst aus
»Heute ist er schlecht drauf«, erklärte die Pflegerin. »Er hat sogar versucht, mich zu schlagen.«
Sie sagte es nicht als Vorwurf. Es war eine müde Feststellung. Freunds Vater machte das öfter. Sie war daran gewöhnt und konnte damit umgehen. Als er bei ihnen gewohnt hatte, war es noch nicht so schlimm gewesen. Freund wusste nicht, was er in so einer Situation machen würde. Sein Vater hatte ihm manche »gesunde Watsche« verpasst. Wie jedes Kind hatte er es gehasst, sich jedes Mal ungerecht behandelt und gedemütigt gefühlt. Nun wäre er der
Weitere Kostenlose Bücher