Wienerherz - Kriminalroman
spinnt.«
»Ich werde mit den Dorins reden. Vielleicht lässt sich etwas machen.«
»Da bin ich gerade. Wie geht es Ihnen?«
»Den Umständen entsprechend.«
»Ich komme vorbei, dann beschreiben Sie mir alles genau.«
Gleichzeitig mit Freund steckte Dorin sein Gerät wieder ein.
»Ich muss los«, sagte Freund. »Der Erpresser hat sich wieder bei Manuela Korn gemeldet.«
»Ich weiß«, sagte Leopold Dorin.
Freund musste sehr überrascht aussehen, denn Dorin freute sich, wenn auch sehr verhalten, über seinen Coup.
»Ich lasse Manuela und Marlies überwachen. Die beiden wissen nichts davon. Ich wollte nicht, dass sie sich beobachtet fühlen.«
»Wie werden sie sich erst fühlen, wenn sie es im Nachhinein erfahren.«
»Manuelas Bewacher hat das Gespräch zwischen den beiden beobachtet. Ihm war sofort klar, wer der Mann ist. Erstens hat er Fotos gemacht. Zweitens beschattet er ihn jetzt. Von seinem Unternehmen hat er Verstärkung angefordert, die ihn dabei unterstützen sollen. Und einen neuen Bewacher für Manuela. Wollen Sie seine Telefonnummer?«
»Auf jeden Fall. Wann hatten Sie vor, uns darüber zu informieren?«
»Genau so, wie ich es jetzt getan habe. Sobald es ein Ergebnis gibt. Reiner Zufall, dass Sie gerade hier waren. Andernfalls hätte ich Sie sofort angerufen. Die Leute sind angehalten, nur zu beobachten, solange sie ihre Schutzbefohlenen nicht vor einer Gewalttat schützen müssen.«
Er tippte in sein Handy. Gleich darauf bekam Freund die Kontaktdaten auf sein Gerät geschickt.
»Wer sind die Beschatter?«
»Mitarbeiter des Sicherheitsunternehmens Secur.«
»Kenne ich. Sehr gute Leute.«
»Mit anderen würden wir nicht arbeiten. Sie sind darauf vorbereitet, dass Sie sich bei ihnen melden, wenn es notwendig werden sollte. Was nun der Fall ist. Ich würde Sie daher bitten, mit Secur Kontakt aufzunehmen.«
Er nannte Freund den Namen des Ansprechpartners.
Freund war hin- und hergerissen zwischen Ärger darüber, dass Dorin so eine Aktion gestartet hatte, ohne sich mit der Polizei abzusprechen, und Respekt, dass der Mann so anständig war, seine ehemalige Schwägerin und seine Nichte uneigennützig zu schützen. Schließlich wäre es ja in seinem Interesse, die Anteile seines verstorbenen Bruders zu übernehmen. Was er nicht musste beziehungsweise nicht konnte, wenn die Erpressung scheiterte.
Kaum war Freund der Gedanke gekommen, beschlichen ihn Zweifel. Vor Florian Dorins Tod war die Familie fast bereit gewesen, die Anteile zu übernehmen. Letztlich war es nur eine Frage der Einigung zwischen Vater Dorin und Leopold gewesen. Ob Florians Begünstigte auch verkaufen würden, war dagegen mehr als fraglich. Außerdem musste man nun mit dreien verhandeln. War die ganze Erpressung womöglich nur inszeniert, um an Florians Konzernanteile zu kommen? Doch welchen Zweck hatten in diesem Fall die Beschatter? Freund schob die Idee als wenig wahrscheinlich in ein hinteres Eck seines Gehirns, von wo sie sich bei Bedarf sofort zurückmelden würde.
»Was werden Sie jetzt tun, wo wir eine Spur haben?«, fragte Dorin.
Kein Wort des Vorwurfs, dass diesen Job nicht die Polizei übernommen hatte. Jeder andere hätte wenigstens eine kleine Spitze losgelassen. Aus Leopold Dorin wurde Freund nicht schlau.
»Beobachten. Versuchen, an seine Hintermänner zu kommen.«
»Wenn Sie etwas brauchen, sagen Sie Bescheid.«
Seltsamerweise fiel Freund in diesem Moment wieder das Bild Leopold Dorins auf dem Rennrad ein.
Hoheitsaufgabe
So wie viele Mitarbeiter der Firma Secur war auch Robert Filgrader früher Polizist gewesen. Aus dieser Zeit kannte Freund ihn flüchtig. Als Mitglied der Spezialeinsatzgruppe Cobra hatte er eine optimale Ausbildung genossen. In der Privatwirtschaft verdiente er jedoch deutlich besser. Er war ein großer, athletischer Mann mit kahl rasiertem Kopf. Filgrader machte seinen Job gut. Unter seiner Führung gedieh die Österreichfiliale des international tätigen Sicherheitskonzerns. Freund hatte noch nie mit ihnen zusammenarbeiten müssen, von Kollegen aber nur Gutes gehört. Für einen Moment beneidete er ihn. Nicht wegen des Gehalts. Aber mit gehässigen Unterstellungen und Untersuchungen der Internen musste er sich nicht mehr herumschlagen.
Die Secur-Zentrale befand sich in einem Bürobau aus den achtziger Jahren im fünften Bezirk. Sie versammelten sich in einem Einsatzraum um einen großen, langen Tisch, an den Wänden viel Elektronik und Bildschirme. Bei Filgrader waren zwei seiner
Weitere Kostenlose Bücher