Wienerherz - Kriminalroman
Fall Dorin. Die Ermittlungen fördern immer mehr wirtschaftliche Verstrickungen einflussreicher Persönlichkeiten zutage, deren Legalität wohl in Frage gestellt werden muss. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft wird eine Menge zu tun bekommen.«
»Noch mehr! Die haben nicht einmal die Hälfte der versprochenen Posten besetzt bekommen. Dabei bräuchten sie die vierfache Menge an Stellen.«
»Man könnte schon System dahinter vermuten.«
»Ist wahrscheinlich wie in Bayern mit den Steuerfahndern.«
»Was ist dort?«
»Fachleute gehen davon aus, dass jeder Steuerfahnder ein Vielfaches seines Gehaltes wieder für den Staat hereinbringt. Da denkt man doch als Bürger, dass die Regierung des Freistaats bemüht sein müsste, möglichst viele davon einzustellen. Das Gegenteil ist der Fall. Denn diese Beamten suchen natürlich als Erstes dort, wo es mehr zu holen gibt, also bei Unternehmen und Millionären. Aber diese spendenfreudige Klientel will die Regierungspartei natürlich nicht verärgern. Deshalb gibt es in Bayern so wenig Steuerfahnder wie nirgends sonst in Deutschland. Ist schlicht und einfach ein Standortvorteil, den sich die Politik so verschafft, sagen viele. Ähnlich ist es bei uns, nur eben gleich für die ganze Republik. Wo kämen wir denn da hin, wenn man diese Leute wirksam verfolgte?«
»Stattdessen hetzen sie mir die Interne auf den Hals.«
»Haben diese Erkenntnisse denn etwas mit Dorins Tod zu tun?«
»Wissen wir noch nicht.«
»Sind demnach womöglich nur Kollateralschäden, um dieses unsägliche Wort zu verwenden.«
»Momentan sieht es danach aus, als ob ich einer davon werde.«
»Was wirst du tun?«
»Mich hinter meinen Kalender klemmen und für alle Termine, an denen ich angeblich im Ran d’Or war, akribisch meinen tatsächlichen Aufenthaltsort nachvollziehen«, seufzte Freund. »Was bleibt mir anderes übrig?«
»Als wenn du nichts Wichtigeres zu tun hättest. Ich schlafe dann wahrscheinlich schon, wenn du fertig bist.«
»Sicher sogar.«
Verwandtschaft
Langsam fühlte er sich in Peer Tanns alias Viktor Dorins Atelier heimisch. Noch einmal legte er dem Maler ein Bild Emil Komeskas vor.
»Immer noch erstaunlich«, bemerkte Tann-Dorin.
»Und womöglich kein Zufall«, sagte Freund. »Ein DNS -Test ergab, dass er mit Ihnen verwandt ist. Hat Ihnen Ihre Familie noch gar nichts erzählt?«
Tann-Dorin riss seinen Blick von dem Foto los, sah Freund an.
»Verwandt? In welcher Weise?«
»Das wissen wir nicht genau. Dazu bräuchten wir Vergleichsmaterial.«
»Sind Sie deshalb hier?«
»Nicht unbedingt. Aber ich würde natürlich welches mitnehmen, wenn Sie es mir überlassen.«
»Mache ich gern. Ich möchte ja zu gern wissen, wie der Typ in unsere Familie kommt.«
»Haben Sie keine Idee?«
»Woher sollte ich?«
»Als ich Ihren Eltern davon erzählte, reagierte Ihre Mutter eigenartig. Sie warf Ihrem Vater einen ausgesprochen bösen Blick zu und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.«
Tann-Dorin lehnte sich zurück. Lang fixierte er Freund. Trank seinen Kaffee.
»Schwieriges Thema«, gestand er schließlich. »Mein Vater ist nicht, was man einen treuen Ehemann nennen würde. Das hatte Florian wohl von ihm geerbt. Aber meine beiden Eltern stammen aus einem Milieu und einer Generation, in denen man sich nicht scheiden lässt. Der unausgesprochene Konsens lautet: Nach außen hin sind wir verheiratet, bis dass der Tod uns scheidet. Allfällig außereheliche Betätigungen haben so diskret stattzufinden, dass sie dieses Bild nicht zerstören. Und natürlich zeugt man dabei keine Kinder. Und wenn, dann ebenfalls so diskret, dass niemand davon erfährt.«
Ähnliches hatte Freund vermutet.
»Ihr Bruder spricht nicht so offen darüber.«
»Leopolds Familienbild habe ich Ihnen schon geschildert. Glauben Sie, dass dieser Komeska einer Affäre meines Vaters entsprang?«
»Eigentlich nicht. Aber das werden wir bald wissen. Ihr Vater hat mir eine Speichelprobe überlassen.«
»Hat er nicht«, sagte Tann-Dorin ungläubig.
»Wundert Sie das?«
»Dann hat er wohl keine Bedenken, dass ein illegitimer Sprössling auftauchen könnte. Wie sind Sie überhaupt auf diesen … wie heißt er? … gestoßen?«
»Emil Komeska. Ihr Bruder kannte ihn. Wohl erst seit ein paar Monaten.«
Tann-Dorin sah sich das Bild noch einmal an.
»Er sieht aus wie Florian, nachdem er abgenommen hatte.«
»Nicht wahr?«
»Dazu fällt mir natürlich etwas ein, was Sie interessieren könnte.«
Tann-Dorin sprang auf,
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