Wienerherz - Kriminalroman
Verwandte zu haben, zumal es sich um die Komeskas handelte, gar nicht.
»Endgültige Klarheit könnte ein Gentest schaffen, dazu bräuchten Sie allerdings DNS -Proben der verstorbenen Väter.«
Rudolf Komeska und seine Frau starrten noch immer auf die beiden Schriftstücke.
»Aber ich bin ziemlich sicher, dass sich meine Annahme bestätigen wird. Sie beide sind Cousins.«
Die Blicke der beiden Alten kreuzten sich in gegenseitiger Fassungslosigkeit.
»Wollen Sie an die Toten in der Familiengruft?«, fragte der alte Dorin empört.
»Das liegt nicht an uns. Die Verwandtschaft haben wir ja schon festgestellt. Der genaue Grad ist für unseren Fall unerheblich. Von Interesse ist er höchstens für Sie. Und natürlich für Rudolf Komeska. Ich glaube, dass Ihr Onkel einen Namen angenommen hat, den er kannte. Johann Pratt hat den Gründer Ihrer Dynastie verewigt.«
Kurz erklärte er den verwirrten Komeskas die Herkunft des Namens, bevor er fortfuhr: »Vielleicht hatte der Sohn die Idee, eine neue Dynastie zu gründen, nur auf eine ganz andere Art als sein Ahnherr.« Freund zuckte mit den Schultern. »Vielleicht war es aber auch nur der erste Name, der ihm einfiel, als er einen neuen suchte.«
»Pure Spekulation.«
»Wie es wirklich war, werden wir nie erfahren.«
»Heißt das«, fand mit Ines erstmals eine der Komeskas Worte, »dass mein Großvater einmal Teil von dem hier« – mit einer Geste umfasste sie den ganzen Raum, den gesamten Besitz – »war?«
»Sicher nicht«, erklärte Adalbert Dorin zornig.
»Das werden wir feststellen«, sagte Leopold Dorin mit ruhiger Stimme. Den vernichtenden Blick seines Vaters ignorierte er. Stattdessen prüfte er noch einmal eingehend die Briefe.
»Sie sind wirklich sehr ähnlich.«
Er wandte sich an Rudolf Komeska. »Um Ihren Sohn umzubetten, müssen wir ohnehin die Familiengruft öffnen. Bei der Gelegenheit können wir eine DNS -Probe von Cornelius Dorin nehmen lassen.«
An das Gesicht Adalbert Dorins, bei dem endgültig alle inneren Bastionen zusammenbrachen, würde Freund sich noch lange erinnern.
Pünktlich um vierzehn Uhr erschien Freund bei den Internen Ermittlern.
»Was macht Ihr Fall?«, fragte die Frau.
»Wir kommen voran. Sie auch?«
»Sie sollen noch in einem dritten Lokal gratis konsumiert haben«, warfen sie ihm vor.
»Das trifft sich bestens.«
Er legte ihnen eine Liste vor mit den Alibis für die offenen Termine aus dem Vorwurf vom letzten Mal.
»Überprüfen Sie einmal die. Alles hieb- und stichfest. Und da sind auch gleich meine Kopien der Spesenabrechnungen.«
Die Beamten nahmen die Papiere an sich, ohne sie näher zu untersuchen. Dafür reichten sie ihm ihrerseits eine Liste.
»Wieder Termine, für die wir Alibis brauchen«, erklärte der Mann.
Freund überflog die Tabelle.
»Bekommen Sie.«
Wieder ein Nachmittag, den er über seinem Kalender verbringen würde, statt seiner Arbeit nachgehen zu können.
Zwei Engel
Grau hatte sich der Novembertag über die Stadt gelegt. Auf dem Weg zwischen den Gräberreihen spürte Freund die feinen Nebeltropfen im Gesicht. Die Krähen riefen noch lauter als bei seinem letzten Besuch.
Über den Eingang der Dorin’schen Familiengruft wachten links und rechts zwei Engel mit flehend erhobenen Armen. Im Inneren des kleinen Tempels beleuchteten grelle Scheinwerfer den kleinen Hebearm, mit dem die Arbeiter eine der schweren Steindeckplatten angehoben und zur Seite gelegt hatten, die verbliebene Öffnung und den Sarg daneben.
Stumm verfolgten die beiden Dorin-Söhne, das Ehepaar Komeska und seine Tochter Ines, wie ein weiß gekleideter Mann in das Grab hinunterstieg. Freund konnte seinen gebeugten Rücken beobachten, während er den Sarg dort unten öffnete und die Gewebeprobe entnahm, von der sich alle Beteiligten endgültige Klarheit erhofften. Ein Kanzleipartner Claudias, der auf Erbrecht spezialisiert war, meinte nach Freunds ersten Schilderungen, dass die Komeskas wahrscheinlich Anspruch auf einen Teil des Dorin’schen Vermögens geltend machen konnten. Freund fragte sich, was der alte Gewerkschafter als Mitbesitzer von Industriebetrieben und einer Bank unternehmen würde. Er musste an das Wohnzimmer im Karl-Marx-Hof denken, mit den Erinnerungsfotos an der Wand und der Sitzgruppe aus den siebziger Jahren.
Der Gerichtsmediziner verließ die Grabstätte, die Arbeiter hievten die Platte zurück an ihren Platz. Zwei andere trugen den Sarg ins Freie und stellten ihn auf einen Handwagen.
»Ich möchte Ihnen
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