Wienerherz - Kriminalroman
ist einer der Fingerabdrücke an der Fahrertür«, erklärte Canella. »Teilabdruck.«
Sein Finger tappte auf die Linien im Foto.
»Doch dieser Fingerabdruck besteht nicht aus den üblichen Körperfetten. Es handelt sich um Gewebe von Emil Komeska, wie wir es im ganzen Bentley verteilt fanden. Ergo war Florian Dorin im Bentley, als Komeska starb.«
»Das sollte für einen Haftbefehl genügen«, sagte Freund. »Hoffentlich erwischen ihn die spanischen Kollegen noch.«
Nachrichten
»Sie schläft«, sagte Freund. Mit einem Glas Wein setzte er sich neben Claudia aufs Sofa. Jeder Muskel schmerzte ihn nach diesem kurzen Sprint am Nachmittag. Er versuchte, sich vor Claudia nichts anmerken zu lassen.
Im Fernsehen lief Werbung.
»Gut«, sagte Claudia nur. Lange war sie bei Clara gesessen, hatte ihr vorgelesen. Freund war gerade noch einmal drüben gewesen, hatte seiner Tochter einen Gute-Nacht-Kuss auf die Stirn gedrückt und war wieder aus dem Zimmer geschlichen.
»Wie es aussieht, haben wir ihn«, sagte Freund.
Sie warteten auf die Abendnachrichten.
»Ihr glaubt wirklich, dass Florian Dorin selber Emil Komeska getötet hat?«
»Die Indizien sind ziemlich eindeutig. Ich hoffe, dass wir ein Geständnis von ihm bekommen.«
»Dazu müsst ihr ihn erst einmal haben.«
»Der internationale Haftbefehl ist bereits an die spanischen Behörden gegangen. Vielleicht erfahre ich heute noch, ob sie ihn festnehmen konnten.«
»Dann musst du ihn nach Wien bekommen. Wenn er gegen die Auslieferung Einspruch erhebt, kann das dauern. Was macht der überhaupt in Barcelona?«
»Das frage ich mich auch. Er hat eine Odyssee durch halb Westeuropa hinter sich.«
Über den Bildschirm liefen die Schlagzeilen.
»Dorin – Industrieller veruntreut Hunderte Millionen«.
»Jetzt ist es in den Nachrichten«, bemerkte Claudia trocken.
Die Medien kannten die neuesten Entwicklungen noch nicht. Für sie war Florian Dorin tot und begraben. In dem Bericht meinte der Reporter, über den Grund für den vermeintlichen Selbstmord zu informieren. Zu Bildern Florian Dorins, Archivaufnahmen verschiedener Industrieunternehmen und Immobilienprojekte, behauptete er, Dorin habe eine halbe Milliarde Euro veruntreut. Er beschrieb Dorins Unternehmungen, aber auch dessen Anteil an einem der größten Familienkonzerne des Landes. Unter den Aufnahmen bemerkte Freund das Firmenzeichen eines Unternehmens, das nicht zu Florian Dorins eigenem Reich von Beteiligungen gehörte, sondern Teil des Familienkonzerns war. In den vergangenen Wochen hatte Freund sich ausführlich genug mit den Verflechtungen beschäftigt, um den Fehler zu entdecken. Auch der Schriftzug »Kertmann & Dorin« war dazwischengerutscht. Leopold Dorin würde toben. Und er hat recht, dachte Freund. Bild und Name der Bank im Zusammenhang mit einem solchen Bericht – hätte er diesem Institut ein paar Millionen anvertraut, er würde gerade sehr nervös werden.
»Da gibt es wohl irgendwo ein Leck«, sagte Claudia.
»Nicht bei uns«, erwiderte Freund. »Wir haben einen Verdacht, woher diese Informationen kommen.«
Er erzählte Claudia von seinem Streit mit Leopold Dorin am Vormittag.
»Dann hätte dieser Kurbajew aber schönes Pech«, meinte Claudia. »Glaubt, dass Dorin tot ist, und will als Rache das Familienunternehmen schädigen. Mit ein bisschen Geschick kann er dabei ganz schön erfolgreich sein. Für Kertmann & Dorin sind solche Nachrichten ein Desaster. Der wird sich schön ärgern, wenn Florian Dorin plötzlich quietschlebendig auftaucht und er womöglich doch noch an sein Geld käme.«
»Kurbajew hat jetzt ganz andere Probleme. Er steckt hinter dem Überfall auf die Mädchen. Auch wenn wir es ihm noch nicht beweisen können. Aber wir sind nahe dran.«
»Er … was? Den Dreckskerl – entschuldige den Ausdruck – müsst ihr erwischen! Wenn ihr es nicht tut …«
»Wir arbeiten daran.«
Er wollte heute nicht mehr darüber sprechen.
»Kompetente Krisenkommunikation haben die Dorins auf jeden Fall keine, wie es aussieht. Sonst hätten sie auf eine sorgfältige Unterscheidung zwischen ihren und Florians Geschäften bestanden.«
Sie sahen die Nachrichten zu Ende. Über die mittäglichen Ereignisse im sechsten Bezirk verlor der Sprecher kein Wort.
Um den Wagen herum sprang einer von Canellas Leuten in seinem weißen Overall und fotografierte. Die uniformierten Kollegen hatten die kleine Rosengasse im ersten Bezirk komplett gesperrt. Lia Petzold stieg über die Absperrung, wies sich
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